Die Wundärztin
Gräser, Sträucher und Büsche lichter. Größere Steine, Wurzelwerk, umgefallene Baumstämme oder Baumstümpfe schälten sich deutlich daraus hervor. Keiner geriet mehr ins Stolpern, auch die Pferde setzten trittsicher ihre Hufe.
»Wartet hier.« Bei einer kleinen Lichtung drückte Englund Magdalena die Zügel in die Hand. Gebückt schlich er davon, noch bevor sie ihn zu seinem weiteren Vorhaben befragen konnten.
Das Knacken der Zweige unter seinen Stiefeln klang erschreckend laut. Gut ließ sich daran verfolgen, in welche Richtung er huschte. Sein heller Lederrock blitzte immer wieder zwischen dem Buschwerk auf, bis ihn ein schwarzes Loch zu verschlingen schien. Entsetzt schrie Magdalena auf und spürte im nächsten Augenblick Rupprechts Hand vor dem Mund. »Leise!« Selbst in der Finsternis konnten seine dunklen Augen zornig funkeln. Beschämt senkte sie den Kopf.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Englund zurückkam. Ohne ein Wort der Erklärung nahm er Magdalena die Zügel aus der Hand und wies mit dem Kopf in die Richtung, in die sie zu gehen hatten. Magdalena schien es, als klebte Blut an seiner linken Hand. Auch der Aufschlag seines Rocks wirkte befleckt. Als sie seinen Blick bemerkte, wagte sie nicht, ihn danach zu fragen. Schweigend führte er die kleine Gruppe zu einer Höhle, die sich halb hinter einem Hagebuttenbusch verbarg. »Hier sind wir sicher.« Er ging voran und zeigte ihnen, dass selbst die drei Pferde mit eingezogenem Kopf durch den Eingang passten. Dahinter weitete sich der Unterschlupf zu einem großen Raum. Die Glut in der Feuerstelle verriet, dass bis vor kurzem noch jemand anderer dort gelagert hatte. An der rückwärtigen Wand fanden sich zusammengerollte Decken sowie ein Kupferkessel. Es roch nach Schweiß und Suppe.
»Eric hat mir die Höhle mal gezeigt. Auf seinen Märschen durch die Gegend benutzt er sie öfter.« Englund merkte wohl selbst, wie unglaubwürdig sein Versuch klang, die Spuren frisch Vertriebener zu erklären. Seine Begleiter wechselten vielsagende Blicke. Rupprecht machte Anstalten, die Pferde zu versorgen, während Ambrosius beim Feuer niederkniete, um es abermals anzufachen. Es lag sogar noch ausreichend Reisig herum, die Flammen bald wieder höher schlagen zu lassen. Magdalena nutzte den Moment und schlich noch einmal vor die Höhle.
Sie musste nicht lange suchen, um unter einem Haselnussstrauch die Leichen zweier Männer zu finden. Der Kleidung nach waren es einfache Söldner. Ihre Augen starrten leer in die Luft, die Münder standen schreckgeweitet offen. Behutsam strich Magdalena ihnen die Lider zu, verharrte in einem kurzen Moment des Gedenkens für ihre armen Seelen. Dabei glitt ihr Blick weiter über die reglosen Körper. Englund hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihnen die Messer abzunehmen, nachdem er ihnen die Kehlen durchgeschnitten hatte.
17
Rupprecht und Ambrosius schienen sich weder Gedanken über Englunds Verhalten noch über das Ziel ihres Ritts zu machen. Auch nach der Nacht in der Höhle bestand ihre einzige Sorge darin, beim Reiten den Abstand zu dem Hauptmann nicht zu groß werden zu lassen. Wie die Tage zuvor ritt er weiterhin mit Magdalena voran, ohne sich um die Männer hinter ihnen zu kümmern. Hin und wieder beschwerten sich die beiden, auch bei Pausen warf Ambrosius Englund wiederholt das rücksichtslose Tempo vor. Sonst aber sprachen sie kaum miteinander, zogen Tag für Tag schweigend am Mainufer entlang.
Dem Schweden Christian Englund schien die Gegend sehr vertraut. Das bewies nicht allein die Sicherheit, mit der er gleich in der ersten Nacht die geräumige Höhle gefunden hatte. Mühelos machte er auch an jedem weiteren Abend ein geeignetes und geschütztes Quartier für die Nacht aus. Töten musste er dafür allerdings niemanden mehr, wie Magdalena erleichtert feststellte. Ambrosius und Rupprecht hatte sie nichts von den Toten im Gebüsch erzählt. Wäre es noch einmal zu einer solch furchtbaren Tat gekommen, hätte sie es jedoch getan. Zumindest hatte sie sich das vorgenommen.
Kurz hinter Kitzingen stießen sie auf eine Gruppe Kaufleute, die sich zu ihrem Schutz mit einer Handvoll schwerbewaffneter Männer umgaben. Ohne Umschweife erlaubten die Fremden, dass sie sich ihnen anschlossen. So liefen auch sie weniger Gefahr, in die Hand von Marodeuren oder versprengten Söldnertruppen zu fallen. Die Leichtigkeit, mit der sie das Ansinnen aufnahmen, stimmte Magdalena misstrauisch. Zwar gaben die Kaufleute an, Englund noch
Weitere Kostenlose Bücher