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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sich auf dem Baumstumpf niedergelassen hatten, hatte er damit begonnen, mit dem Daumennagel die Rinde an einem Zweig abzuschälen. »Welche Kundschafter? Wovon sprichst du? Wieso soll ausgerechnet ich mich daran erinnern, dass die beiden im Kloster waren?« Die vielen Fragen kamen ein wenig zu rasch hintereinander. Er hob nicht einmal richtig den Kopf und sah zu dem Mann hinüber, um ihren Hinweis nachzuprüfen. Schnurrend ließ er stattdessen den geschälten Weidenzweig durch die Luft zischen und prüfte mit zusammengekniffenen Augen die Biegsamkeit des dünnen Holzes, als gäbe es nichts Wichtigeres.
    Magdalena wich vor dem scharfen Luftzug zurück, behielt Rupprechts dunklen Lockenkopf aber weiter im Blick. Sein Verhalten war Beweis genug, dass sie richtiglag. Trotzdem sah sie noch einmal unauffällig hinüber. Sie hatte sich keinesfalls getäuscht: Der Mann ähnelte dem Kundschafter wirklich sehr! Nicht nur sein Profil, vor allem die Art, beim Sprechen mit den Armen zu gestikulieren, war ihr in Erinnerung geblieben. Viel mehr hatte sie damals von ihrem Fensterplatz oben im Refektorium nicht sehen können. Es genügte aber, um ihren Verdacht zu bestätigen: Englund hatte den Abstecher von Ochsenfurt nach Königsberg schon vor Tagen geplant. Damals im Kloster hatten ihm die Kundschafter eine wichtige Nachricht zukommen lassen. »Seltsam, aber immerhin weißt du noch, dass es zwei gewesen sind, die den Hauptmann im Kloster aufgesucht haben.« Erst als sie den Schreck in Rupprechts dunklen Augen aufblitzen sah, fuhr sie fort: »Vom Fenster des Refektoriums aus habe ich damals beobachtet, wie du im Geäst der Linde herumgeklettert bist. Sah nicht eben ungefährlich aus, vor allem, als Englund und seine beiden Besucher zu dir nach oben geschaut haben. Was haben die drei dort besprochen? Wolltest du mir das nicht längst schon erzählen? Komm schon, jetzt ist die beste Gelegenheit!«
    Rupprecht erwiderte nichts, sondern brach sich einen weiteren Ast vom Baum und begann, auch diesen von der Rinde zu befreien. Der Nagel an seinem rechten Zeigefinger war lang und scharf, die Ränder verfärbten sich grünlich gelb von dem Saft. »Hör auf!« Ungeduldig griff sie nach dem Zweig. Endlich sah er auf und bequemte sich zu einer Antwort: »Da gibt es nichts zu erzählen. Du solltest dem Hauptmann vertrauen. Als Erics Vetter wird er uns wohl kaum ins Unglück stürzen.«
    Sie schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Abwartend sah sie ihn an. Er wich ihr aus, hob den Blick und tat so, als musterte er die Blätter auf den Bäumen, die ihre Äste wie ein Dach über sie spannten. Viel zu früh verloren sie bereits ihr Grün, wurden zu gelben oder gar schon braunen Zeugnissen des nahenden Herbstes.
    Rupprecht schien nicht mit sich im Reinen. Unruhig flackerten seine Augen, seine Fußspitzen scharrten über den Boden. Offenkundig kämpfte er mit sich, ob er weiterreden und sich ihr endlich anvertrauen oder aber aufstehen und ihr fortan aus dem Weg gehen sollte. Sie musste eine Möglichkeit finden, ihn rasch zu Ersterem zu bewegen. Die Zeit drängte. Schon begannen die Männer, die Gurte an den Fuhrwerken festzuzurren und den Sitz der Ladung zu überprüfen. Nicht mehr lang, und das Signal zum Aufbruch würde gegeben.
    »Dir hat der Bernstein jetzt auch das Leben gerettet«, sagte sie. »Immerhin stand dein verehrter Hauptmann kurz davor, dich mit mir zusammen auf den Scheiterhaufen zu werfen. Ausgerechnet der Stein von Eric, den er mir geschenkt hat, rettet uns also beide. Verrückt, nicht wahr? Dabei hast du Eric nie sonderlich gemocht. Das kann ich inzwischen sogar gut verstehen.« Sie senkte die Stimme, als sie merkte, wie er hellhörig wurde. Einen kurzen Moment versanken ihre Augen ineinander. Etwas leuchtete in seinen dunklen Pupillen hell auf, dann war es wieder vorbei. Trotzdem schöpfte sie Mut.
    »Immer wieder ist Eric dir in die Quere gekommen, damals in Magdeburg, später in Freiburg und unlängst im Lager bei Amöneburg. Und nun also auch jetzt, beim Hauptmann. Bei ihm hast du am wenigsten damit gerechnet. Dieses Mal allerdings hat sich alles ganz anders entwickelt. Plötzlich war Eric die Rettung, ein Wunder, mit dem du es fertiggebracht hast, dass Englund dir wieder vertraut, dass er dir zumindest Jossips Tod verziehen und uns beide aus dem Kerker geholt hat.«
    Zunächst erntete sie Schweigen. Ein Rascheln am Boden verriet eine Maus. Beide sahen auf das winzige Nagetier, dankbar für die

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