Die Wundärztin
schnell werden wir wohl nicht wieder als Wundärzte arbeiten.« Rupprecht schickte sich bereits an, das Laboratorium zu verlassen.
Hastig verstellte sie ihm den Weg. »Irgendetwas müssen wir tun, wenn wir nicht ähnlich dumpf wie Englund enden wollen. Dieses sinnlose Warten und Zeittotschlagen treibt uns alle in den Wahnsinn. Darüber waren wir uns vorhin einig.«
»Stimmt. Und ich dachte, du wolltest mir etwas zeigen, womit wir ihn zum Aufbruch bewegen können.«
»Aber das tue ich doch. Denk einmal nach! Englund muss zurück zu seinem Regiment, wenn er nicht riskieren will, als Verräter zu gelten. Davor aber fürchtet er sich, weil er keinen triftigen Grund vorweisen kann, warum er Lindström und die anderen bei Ochsenfurt allein auf den Weg nach Rothenburg geschickt hat. Deshalb kann er sich jetzt nicht zum Aufbruch aus Königsberg entschließen. Fliehen würde ihm auch nicht helfen. Denn der Rache seiner Leute würde er niemals entkommen, genauso wenig, wie er bis zum Wintereinbruch hier versauern kann. Also machen wir ihm klar, dass er mit uns und dieser Medizin hier eine gute Möglichkeit hat, rehabilitiert zu den Seinen zurückzukehren. Mit einer Kiste ausgefallener Wundsalben und seltener Pasten im Gepäck bieten wir ihm einen sehr nachvollziehbaren Grund für sein Verhalten: Wir behaupten, hier in Königsberg auf eine kostbare Lieferung gewartet und ihn deshalb zu diesem Umweg überredet zu haben. Das Ganze sei natürlich so geheim gewesen, dass wir es vorher schlecht im Trupp hätten erzählen können. Einige seiner Männer werden sich an die Kundschafter im Kloster erinnern. Das macht die Sache noch glaubwürdiger: Sie haben uns über die Lieferung der Tinkturen unterrichtet. Angesichts unseres Einsatzes im Kloster bei den Verwundeten müssten sich die Schweden davon überzeugen lassen. Immerhin haben wir beide da so manches Wunder vollbracht.«
»Man denke nur an Jossip.« Rupprecht gab sich alles andere als überzeugt. Jäh fuhr sie zurück und kniff die Lippen zusammen. Was hatte er nur? Eben noch war er auf ihrer Seite gewesen. Nichts hatte sie ihm seither getan. Verzweifelt sah sie zu Ambrosius. Der zuckte ratlos die Schultern. Dann warf sie Ludwig einen Blick zu. An ihm musste es liegen, dass Rupprecht so schlecht gelaunt war. Dabei wusste sie die Kenntnisse des alten Feldschers sehr zu schätzen.
»Also, hilfst du uns jetzt oder nicht?«, fragte sie Rupprecht. Der blieb ihr die Antwort weiterhin schuldig, und sie wandte sich enttäuscht ab. Vielleicht brauchte er einfach noch ein wenig Zeit. Sie hörte, wie er zum Laden hinüberschlurfte. Eine Weile war zu vernehmen, wie er dort die noch vorhandenen Reste durchwühlte.
Die beiden anderen Männer hantierten bereits an dem notdürftigen Tisch vor dem Fenster. Ludwig rückte gerade die zierliche Waage auf dem behelfsmäßigen Tresen am Fenster zurecht. Daneben stellte er verschiedene Utensilien zum Anrühren einer Paste bereit. Mehrmals bückte er sich zu der Kiste und entnahm ihr nach und nach feine Instrumente wie Messlöffel, Zangen und Scheren. Ambrosius maß bereits einige Lot roter Mennige auf einer zweiten Waage ab. Magdalena zog ebenfalls eines der Beutelchen aus der Kiste und ging zum Tisch. Dort schüttete sie ein rötliches Pulver in eine Schale, träufelte anschließend aus einer Phiole einige Tropfen Rosenöl hinein, gab aus einem zweiten Röhrchen etwas Leinöl hinzu und begann, Pulver und Flüssigkeit vorsichtig miteinander zu vermischen. Schließlich hobelte sie einige feine Späne venezianischer Seife hinein.
»Die Frau da draußen stammt nicht von hier«, erklärte Ludwig ohne Überleitung, nachdem sie eine Zeitlang schweigend nebeneinander gearbeitet hatten. »Vorgestern ist sie zum ersten Mal am Tor aufgetaucht, mit dem kleinen Mädchen an der Hand. Sie heult wie ein Hund, wenn man versucht, sie aus den Trümmern in ein festes Haus zu bringen. Ich wollte ihr eine der Kammern hier im Erdgeschoss anbieten. Hier wäre es trocken und geschützt. Platz ist reichlich, niemand ist ihr im Weg.«
»Bestimmt hat sie Angst, mit Männern unter einem Dach zu sein«, erwiderte Magdalena. »Die Soldaten werden über sie hergefallen sein und ihre Familie ermordet haben. Sie und ihre Tochter sind wohl die Einzigen, die überlebt haben. Kein Wunder, dass sie darüber wahnsinnig geworden ist.«
Betrübt schwiegen sie, bis Ambrosius das Wort ergriff: »Das Brot, das du ihr gegeben hast, hat sie ganz dem Kind gelassen. Nicht einen Krümel hat
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