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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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sie sich davon gegönnt. Sie wird zugrunde gehen und so auch die Kleine nicht retten können.«
    »Eine Mutter tut alles für ihr Kind und stellt sich selbst hintenan, damit das Kind überlebt.« Die Worte kamen wie selbstverständlich über ihre Lippen. Ein Wunder, dass sie den Männern so etwas erklären musste! Gleichzeitig spürte sie einen heftigen Stich bei der Erkenntnis, dass sie Carlotta gegenüber nicht als echte Mutter gehandelt hatte. Offenkundig hatte sie nicht alles für ihr Kind getan, sonst wäre es jetzt noch bei ihr. Wie hatte sie Eric zuerst helfen und dabei nicht an die Folgen für Carlotta denken können? War Elsbeth vielleicht doch die bessere Mutter? Wie betäubt stand sie da und sah reglos durch das Fenster. Der Regen klopfte an die Scheiben, rann in trägen Furchen herab, bis er von den Leisten des Fensterkreuzes aufgehalten wurde.
    »Sei froh, dass dir das bislang erspart geblieben ist«, hörte sie Ambrosius auf einmal leise sagen. Sie spürte, wie er die fleischige Hand auf die ihre legte und sie fest drückte.
    »Was weißt denn du?«, schrie sie ihn an und zog die Hand weg. Entsetzt wich er zurück. Zum ersten Mal erlebte sie, dass jemand so sehr vor ihr erschrak, dass er zitterte. Nicht minder überrascht als er, hielt sie inne und studierte sein rundes Gesicht. Seine ehemals grünen Augen waren trüb geworden. Die gutgepolsterten Wangenknochen verrieten noch etwas von früherer Verschmitztheit. Das ängstliche Gebaren passte so ganz und gar nicht zu ihm. Schon bedauerte sie es, ihn so barsch angegangen zu haben. Er wusste nichts von ihrer Carlotta, wusste überhaupt nichts von ihr, wie sie auch seine Geschichte nicht kannte. Der Zufall hatte sie für eine Weile zusammengeführt und zu Gefährten werden lassen. Bald aber schon würden ihre Wege sich wieder trennen und jeder von neuem seine eigene Geschichte leben. »Schon gut«, sagte sie und tätschelte seinen entblößten Arm.
    »Muss euer schwedischer Hauptmann nicht mal wieder zu seinem Regiment zurück?«, schaltete sich Ludwig betont munter ein, um das bedrückende Schweigen zu brechen. »Oder hat er sich ganz von den Seinen verabschiedet?«
    »So wie du dich von den Deinen?« Unbemerkt war Rupprecht wieder bei ihnen aufgetaucht und fixierte Ludwig mit unfreundlichem Blick.
    »Warum bist du so misstrauisch? Wir wissen alle nicht viel voneinander. Genauso gut kann er uns für Verräter oder Marodeure halten«, versuchte Magdalena zu vermitteln
    »Habe ich euch schon erzählt, wo ich herkomme?« Ludwig tat so, als stritten sie nicht seinetwegen, sondern wandte sich freundlich Ambrosius zu seiner Linken zu. Der zerstampfte gerade einige Salbeiblätter mit dem Mörser. Erst als Ludwig ihn mit dem Ellbogen anstieß, sah er auf.
    »Nein, erzähl. Deinem Dialekt nach bist du hier aus der Gegend.«
    »Stimmt. Deshalb kenne ich hier auch viele verborgene Winkel. Bevor ich nach Königsberg gegangen bin, war ich weiter unten im Süden unterwegs. Aber da wurde es mir allmählich zu voll. Da sammeln sich schon wieder die Schweden, weil sie noch vor dem Winter über den Lech bis hinüber zur Isar wollen. Der bayerische Kurfürst hat sie wohl zu sehr herausgefordert, dass sie ihn nun endlich mundtot machen wollen. Schon träumen sie davon, sich in München in seiner herrlichen Residenz niederzulassen. Der Kurfürst selbst ist wohl bereits aus der Stadt geflohen. Die Kaiserlichen sind natürlich nicht weit und werden versuchen, den anrückenden Truppen Wrangels noch etwas entgegenzusetzen. Bei Augsburg wird es gewiss bald heiß hergehen. Wenn ihr also wieder Arbeit als Feldscher sucht, werdet ihr da unten sicher gebraucht werden. Solche wie euch nehmen sie mit Kusshand.«
    »Was ist mit dir? Willst du nicht auch wieder zum Heer zurück?« Ambrosius sah ihn offen an, doch Ludwig winkte mit der rechten Hand ab.
    »Mir steht der Sinn inzwischen nach anderem. Längst wollte ich mich zur Ruhe setzen. Mein ganzes Leben habe ich nichts anderes getan, als Beine abgeschnitten und Bäuche zusammengeflickt. Ich war letztens schon fast in meine Heimatstadt Rothenburg zurückgekehrt, musste dann jedoch umkehren.«
    »Rothenburg?« Neugierig legte Magdalena den kleinen Messinglöffel beiseite, mit dem sie ein weißliches Pulver abgemessen hatte. »Wann warst du dort?« Unauffällig gab sie Rupprecht ein Zeichen mit der linken Hand, damit er nicht gleich wieder aufbrauste. Sie hatte das Gefühl, dass Ludwig ihr etwas Wichtiges sagen würde, und nickte ihm

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