Die Wundärztin
Rücken wohlig wärmte.
Den Wald hatten sie nun hinter sich gelassen und ritten wohlgemut über die Felder auf Rothenburg zu. Die trutzigen Befestigungsanlagen waren schon von weitem gut zu erkennen. Rechts und links der Straße verrieten die Felder, dass dort vor nicht allzu langer Zeit zahllose Reiter, Fußvolk und Karren entlanggezogen waren. Wie so oft hatten sich die Spuren tief in die Erde eingegraben und jeden Schössling zerstört und das Getreide zertrampelt. Hungrig waren die Menschen der Gegend anschließend darübergekrochen, die Augen tief auf die Erde gerichtet, die Finger über den Boden tastend auf der Suche nach den letzten Körnern, mit denen sich Mehl fürs Brot mahlen ließ. Viel dürften sie nicht gefunden haben. Heer und Tross pflügten die Felder gemeinhin gründlicher, als so mancher Bauer es in besseren Zeiten getan hatte. Traurig breiteten sich die vielfach geschundenen Äcker nun aus und kündeten von einem weiteren schweren Winter ohne ausreichend Nahrung für alle. Gelegentlich passierten Magdalena und ihre Begleiter leerstehende Scheunen und Heuschober, entdeckten verlassene oder gar niedergebrannte Bauernhöfe.
»Willst du wirklich in die Stadt?«, fragte Rupprecht Englund und zügelte sein Pferd. »Ich glaube kaum, dass ein einzelner schwedischer Hauptmann dort sonderlich gelitten ist.«
»Da hast du recht. Deshalb werden wir uns da vorn an der Wegbiegung links halten. Ich kenne ein Gehöft, das Eric oft aufgesucht hat. Es muss gleich hinter dem Wald liegen. Vielleicht finden wir dort sogar eine Nachricht vor.«
Der Weg mündete alsbald in einen kleinen Mischwald. Das Gestrüpp nahm zu, der Weg wurde enger und unübersichtlicher, und das dichte Blätterdach schirmte das Tageslicht nahezu vollständig ab. Die Hufschläge klangen dumpf auf dem weichen Waldboden. Kaum ein Vogelzwitschern war zu hören, keine Maus raschelte durch das Gras. Magdalena wurde unheimlich. Selten hatte sie sich in den letzten Tagen geängstigt, doch plötzlich glaubte sie zu wissen, dass sie sich dieses Mal weder auf Englunds Umsicht noch auf ihr Glück verlassen konnten. Ihre Begleiter schienen ihre düsteren Gedanken zu ahnen. Rupprecht warf ihr immer wieder aufmunternde Blicke zu und wich nicht von ihrer Seite. Englund schob sich von hinten dichter an sie heran, als wollte er sie so seiner schützenden Gegenwart versichern.
Schon bald lichtete sich der Wald. Ein kleines Dorf auf einer Anhöhe schob sich in ihren Blick. Davor liefen die brachliegenden Felder in einer Ebene aus. Magdalena atmete auf. Jemand stand dort oben bei dem größten der Gebäude auf dem Hügel und winkte zu ihnen herunter. Auch wenn er oder sie klein wirkte wie eine Ameise, war die freudige Bewegung des Armes deutlich zu sehen. Schon wollte sie zurückwinken, da erhob sich plötzlich lautes Geschrei.
Keine zwei Augenblicke später fanden sie sich umzingelt von schwerbewaffneten Soldaten. Die Waffen dicht vor ihren Gesichtern klickten, als die Hähne gespannt wurden. Magdalena spürte, wie Englund nach seiner Pistole tastete, doch da richtete sich ein langer Gewehrlauf direkt auf seinen Kopf. Sie schielte aus den Augenwinkeln hinüber und erkannte Lindström. Ausgerechnet derjenige, dem Englund in seinem Trupp vertraut hatte, erhob nun als Erster die Stimme gegen ihn. Seltsamerweise sprach er Deutsch, so dass sie alles verstand. Oder war es nur die eindeutige Situation, die sie sogar das Schwedisch der Soldaten begreifen ließ?
»Da bist du also endlich, Englund. Genau, wie unser Kundschafter es angekündigt hat. Braver Bursche, wenn auch schon so alt.«
Magdalena erstarrte und mied Rupprechts Blick. Sein Misstrauen gegenüber Ludwig war also berechtigt gewesen. Der alte Feldscher hatte sie schmählich verraten! Sie kämpfte mit den Tränen.
Lindström kostete seinen Triumph aus: »Eure Reise ist zu Ende. Englund, du bist festgenommen. Kannst dir den Grund wohl denken. Auf Fahnenflucht steht der Galgen. Hättest dich ruhig schon ein bisschen früher auf die Socken machen können. Sehnsüchtig warten wir bereits seit Tagen auf deine Rückkehr.«
Sein Blick wanderte zu Magdalena. Aufreizend schob er die Zunge durch die Zähne und ließ sie langsam über die Lippen gleiten.
»Schön, dass du die Kleine wieder mitgebracht hast. So können wir alle Rechnungen begleichen. Mir war so, als wäre da noch etwas offen.«
Mit dem Kopf wies er über die Schulter nach hinten, bevor er den nächsten Befehl erteilte. »Schnappt euch auch den
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