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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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uns geschehen.«
    »Außer dir weiß keiner der drei anderen mit Waffen umzugehen.« Wieder schüttelte der Stadthauptmann besorgt den Kopf. »Die versteckten Wege zwischen Main, Tauber und Steigerwald kennst außerdem nicht nur du. Marodierende Soldaten und Bauern streunen dort umher. Seit Jahren ist dort das Recht außer Kraft gesetzt. Die Gauner kennen nicht nur die Wege, sondern auch die besten Plätze für einen Hinterhalt. Gegen die habt ihr im Zweifelsfall keine Chance.«
    So vernünftig die Einwände klangen, fand Magdalena sie nicht allein ihrer eigenen Ungeduld wegen überflüssig. Insgeheim hatte sie den ehemaligen Stadthauptmann im Verdacht, ihm graute vor der Abreise, weil er dann wieder mit der kaum sichtbaren Magd allein hausen musste. Bis die Kaufleute zurückkehrten, konnte alles Mögliche geschehen. In einem der letzten noch intakten Häuser zu wohnen und zu alt zum Schießen oder Fechten zu sein stellte wohl eine weitaus größere Gefahr dar, als zu viert nach Rothenburg zu reiten. Wahrscheinlich graute ihm auch vor der Stille, die sich über das Haus senken würde. Die alte Magd fand noch weniger Worte als er, um sich zu verständigen.
    Ambrosius, der sich die ganze Zeit über still verhalten hatte, schaltete sich nun ins Gespräch ein: »Ich bin euch eine ziemliche Last. Ich kann nicht gut reiten und bin viel zu schwer, so dass der Gaul nicht mit euch Schritt halten kann. Er muss schließlich auch noch Rupprecht tragen. Mit Pistolen weiß ich sowieso nicht umzugehen, geschweige denn mich sonst irgendwie nützlich zu machen, wenn es einen Überfall gibt.«
    »Du willst also hierbleiben?«, fragte Englund und schmunzelte dabei zu ihrer aller Erleichterung sogar. »Dann bleib. Drüben in der Apotheke wirst du genug zu tun finden. Und auch unser Gastgeber wird sich über Gesellschaft freuen. Du bist ein freier Mann, Ambrosius.«
    Verblüfft starrte Ambrosius ihn an. Auch Rupprecht riss Mund und Augen weit auf. Magdalena beobachtete, wie seine Mimik zwischen Erstaunen, Neid und Freude wechselte. Der Mönch schnappte nach Luft, bevor er endlich in der Lage war, sich zu äußern: »Danke für deine Großzügigkeit. Ich weiß sie zu schätzen.« Verschämt wischte er sich über die Augen. Auch Magdalena fiel es nicht leicht, von ihm Abschied zu nehmen. Rupprecht warf ihr einen Blick zu, den sie nicht zu deuten wusste. Am nächsten Tag fiel ihr auf, dass er offenbar bewusst darauf verzichtete, Ambrosius zum Abschied die Hand zu reichen.
    So waren sie also am nächsten Tag nur mehr zu dritt aufgebrochen: Magdalena mit dem Hauptmann auf dem Rappen vorweg, Rupprecht allein auf dem kräftigen Braunen hintendrein. Als sie zum Schützentor hinausritten, hoben sie die Hand zu einem letzten Gruß. Keiner von ihnen wandte jedoch den Blick, um zu sehen, wie Ambrosius, der alte Stadthauptmann und die stumme Magd ihnen vom Hoftor aus nachwinkten.
    So leichtfertig Englund den Schutz der Kaufleute in den Wind geschlagen hatte, so umsichtig erwies er sich trotz allem. »Hier«, sagte er knapp und streckte Rupprecht an der ersten Biegung hinter dem Stadttor bereits eine seiner Pistolen entgegen. »Es ist wohl besser, du hast auch eine. Auch den Dolch wirst du gut brauchen können. Ich nehme an, du kannst mit so etwas umgehen.«
    »Klar.« Rupprecht beugte sich hinüber, um die Waffen anzunehmen, und verstaute sie griffbereit am Sattel. Magdalena bemerkte das kaum sichtbare Zucken um seine Mundwinkel. Als hätten sie sich abgesprochen, begegneten sich kurz ihre Blicke. Er schüttelte den Kopf, sie nickte. Das genügte, um sich einig zu sein, die Situation nicht auszunutzen und Englund in den Rücken zu fallen. Er konnte sich auf sie verlassen. Sie hatten ihm ihr Wort gegeben.
    Bis Haßfurt hinunter und dann mainabwärts an Schweinfurt vorbei nach Marktbreit verlief die Reise unproblematisch. Wie schon auf dem Hinweg erwies Englund sich als ausgezeichneter Kenner der Gegend, wusste Umwege zu vermeiden und gefährliche Stellen, in denen ein Hinterhalt lauern mochte, zu umgehen. Auch fand er immer wieder ohne Schwierigkeiten Unterkünfte für die Nacht. Insgeheim wunderte sich Magdalena, wie viele Menschen er so gut kannte, dass sie ihm und seinen Begleitern willig die Türen öffneten.
    Das Grau des Himmels war inzwischen in ein lichtes Weiß übergegangen. Gelegentlich blitzte bereits ein gleißender Fleck Sonnenschein hindurch. Aus einer Wolkenlücke ergoss sich einmal sogar ein regelrechtes Sonnenbad, das ihnen die

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