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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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schwarzen Teufel da hinten, Männer. Aber vergesst nicht: Feldscher wie ihn und die kleine Rothaarige können wir gut gebrauchen. In Bayern warten genug Verwundete auf heilsame Hände. Also, los jetzt. Worauf wartet ihr.«
    Ein Schuss knallte. Im nächsten Moment fiel etwas Schwarzes vom Himmel herab. Die Soldaten lachten. Ohne zu zielen, hatte Lindström den einzigen Vogel weit und breit erledigt.
    24
    Wie so oft in den letzten Wochen stand Eric draußen auf der Kuppe und starrte in die Ferne. Berta beschrieb es Elsbeth, als sie zu der Kranken in die Kammer trat. Elsbeths Fieber war in den letzten Tagen wieder stark gestiegen und zwang sie ins Bett. Schnaufend mühte sie sich, sich zum Sitzen aufzurichten, doch ihr Körper war zu schwach. Erschöpft sank sie in die Kissen zurück, winkte Berta zu sich und umklammerte wie eine Ertrinkende ihr Handgelenk.
    »Sag mir, wie er aussieht, ganz genau!« Ihre Worte kamen abgehackt, die Pausen dazwischen waren von rasselndem Husten gefüllt. »Geh ans Fenster und sieh ihn dir an.«
    Mit einem tiefen Bellen löste sich der Schleim aus ihrer Brust. Schwer atmend rang sie nach Luft. Bertas Gesicht verschwamm vor ihren Augen. Dunkel meinte sie sich zu erinnern, dass die alte Frau schwarze, von silbrigen Fäden durchzogene Haare hatte, die sie zu einem strengen Knoten nach hinten trug. Die Farbe der Augen wollte ihr allerdings nicht mehr einfallen. Je mehr sie versuchte, sie durch Zusammenkneifen ihrer Augen zu erkennen, desto mehr verwischte jede Kontur, lösten sich die Farben um sie her in nebliges Grau auf. Einzig der große, schmallippige Mund Bertas stand ihr deutlich vor Augen.
    »Wie du meinst.« Es schien ihr, als zuckte Berta gleichgültig mit den Schultern, bevor sie zum Fenster ging. Mit jedem Schritt schien sie sich mehr in Roswitha zu verwandeln. Ein Schauer lief Elsbeth über den Rücken. Fast hatte sie die alte Hebamme aus dem Tross vergessen. Magdalenas Verbündete. Auf einmal aber war sie wieder bei ihr, watschelte wie eine Ente umher, schnaufte und schüttelte den Kopf und missbilligte alles, was Elsbeth tat. Gemocht hatte Roswitha sie nie, trotzdem hatte sie ihr Magdalenas Kind an die Brust gelegt und nie daran gezweifelt, dass sie zum Wohl der Kleinen handelte.
    »Also war es doch recht gewesen!«
    Bertas gewaltiger Schatten am Fenster fuhr herum. Elsbeth erschrak. Sie musste den Satz laut ausgerufen haben. »Was?« Verwundert tönte Bertas volle Stimme vom Fenster herüber. »Was war recht gewesen? Was redest du da?«
    »Nichts!«, sagte Elsbeth und erahnte, dass die Alte sie weiter betrachtete. Sie sollte doch auf Eric blicken, nicht auf sie! So gut es ging, schob sie sich wieder auf, spürte das Zittern am ganzen Leib, kaum gelang es ihr, in der Senkrechten zu bleiben. Im Kopf drehte sich alles. Schwer kippte der Schädel abermals nach hinten ins Kissen. Verfluchtes Fieber! Sie fasste sich an den Kopf und hielt kurz darauf etwas Weiches, Flaumiges in der Hand. Sie musste nichts sehen, um zu wissen, dass es sich um ein weiteres Büschel ihrer einst so golden glänzenden Haare handelte. Ärgerlich schüttelte sie es ab, hustete sich dabei fast die Seele aus dem Leib.
    Ein Schuss krachte. Wie auf Kommando drehten die Frauen die Köpfe zueinander. Elsbeth, die noch immer kaum mehr als grauen Nebel und Bertas dunklen Umriss am Fenster wahrnahm, bekam es mit der Angst zu tun.
    »Nur ein Vogel«, sagte Berta. »Da hat einer wohl einen Vogel abgeschossen. Kämen Marodeure oder ein Trupp Soldaten angeritten, hätte es längst mehr Geschrei gegeben. Auch die Männer im Hof hätten längst was gemerkt. Da draußen aber rührt sich niemand.«
    »Nicht einmal Eric?« Sie hatte lange gebraucht, bis sie die Frage deutlich aussprechen konnte.
    Berta erwiderte nichts. Wenn Elsbeth die Schemen richtig deutete, sah die Alte weiter durch das Fenster nach draußen, stellte sich gar auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf ins obere Sprossenfenster, um bessere Sicht zu haben. Oder träumte Elsbeth das alles nur? Von weit her klang Bertas Stimme schließlich zu ihr herüber: »So von hinten wirkt Eric nach wie vor kräftig, als wäre ihm nichts geschehen. Der dicke Umhang verdeckt gut, dass er die Schultern vorbeugt wie ein alter Greis. Auch dass er kaum mehr etwas auf den Rippen hat, ist so nicht richtig zu sehen. Wenn du ihn aber direkt vor dir hast, merkst du sofort, wie sehr er in den letzten Wochen gelitten hat. Hohlwangig ist er geworden. Tief haben sich die Falten an der

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