Die Wundärztin
draußen mit dabei sein, einmal so tüchtig wie deine Cousine bei den Verwundeten zur Hand gehen. Dann würdest du nicht mehr so einfältig fragen, warum Magdalena ihrem Vater kein Grab geschaufelt hat.«
Schon wollte Elsbeth ihr widersprechen und auf ihre Hilfe bei der Tante hinweisen, da wandte sich Roswitha bereits an Babette: »Auch dir würde es gut anstehen, dich nicht wochenlang faul im Bett zu rekeln, sondern dem Beispiel deiner Tochter zu folgen und was Sinnvolles zu tun.«
»Was fällt dir ein?« Sofort plusterte Babette sich auf. »Was weißt du schon von mir? Du bist wirklich die Letzte, die mir Vorwürfe machen darf. Soweit ich mich erinnere, bist du nicht eben freiwillig als Hebamme im Tross. Ganz schön lang hast gerade du dich geziert, bis du bereit warst, etwas Sinnvolles für die tapferen Soldaten und ihre Frauen zu tun.« Der Blick, mit dem sie die Hebamme bedachte, verriet, dass sie darauf brannte, ihr gutgehütetes Geheimnis auszuplaudern.
Roswitha aber blieb stumm. Offensichtlich wollte sie Babette nicht den Gefallen tun, sie am Reden zu hindern.
»So?« Neugierig spitzte Elsbeth die Ohren. Seit langem brannte sie darauf, mehr über Roswitha zu erfahren. Unter den Frauen im Tross wurde so manches gemunkelt. Mehr als einmal hatte sie die seltsamsten Geschichten gehört, angefangen bei abenteuerlichen Gerüchten, sie sei die Geliebte Pappenheims gewesen, was angesichts ihrer Hässlichkeit kaum zu glauben war, bis hin zu der wenig phantasievollen Behauptung, sie habe früher mit Meister Johann das Zelt geteilt und gemeinsam mit ihm der dunklen Magie angehangen. Am überzeugendsten fand Elsbeth bislang die Version, Roswitha habe wegen ihrer geheimnisvollen Kenntnisse als Hexe in ihrer Heimat verbrannt werden sollen und unter falschem Namen im Tross Unterschlupf gefunden. Dass ausgerechnet die Tante die Wahrheit über Roswithas Vergangenheit wusste und erst jetzt damit herausrückte, ärgerte sie ein wenig. Warum hatte sie ihr noch nie etwas davon verraten?
»Täusche ich mich, oder bist du nicht die feine Roswitha Muckenthaler, die Witwe eines seinerzeit hochdekorierten Offiziers, die sich nur allzu gern als Erste aus der Beute bedient und all den Schmuck und die feinen Kleider einverleibt hat? In Truhen mit Goldmünzen sollst du gebadet haben, bis dein Mann damals in Österreich einen schmachvollen Tod erlitt. Dann war es schnell aus mit deiner Vornehmheit. Nur weil du zu hässlich warst, um dich als Hure zu verdingen, hast du dein Glück als Wehmutter versucht. Außerhalb des Trosses wollte dich sowieso keiner haben.«
»Ach?« Enttäuscht über die wenig aufregende Geschichte, entfuhr Elsbeth ein Seufzer. Roswitha verzog keine Miene, sondern beschäftigte sich aufmerksam mit Fritzchen, der immer noch an ihrer Schulter schlief.
»Tu nicht so, als ginge dich das alles nichts an!« Babette geriet in Wut, mit der Enthüllung keine Empörung geerntet zu haben. Kampflustig nahm sie ihren Säugling aus den Armen der Hebamme und zischte: »Ich jedenfalls bin die Letzte, die von einem Weib wie dir an den Pranger gestellt werden darf. Seit Jahrzehnten ziehe ich brav und klaglos an der Seite eines nicht minder braven Söldners mit dem Heer durch die Lande. Genauso wie mein tapferer Mann habe auch ich alles dafür aufgegeben, den gerechten Kampf für die Sache Gottes, der katholischen Kirche und des Kaisers zu führen. Ein Kind nach dem anderen habe ich zur Welt gebracht, eine Fähigkeit, die du, soweit ich weiß, selbst nie gehabt hast. Ein Kind nach dem anderen habe ich in meinen Armen sterben sehen. Nie aber habe ich mich darüber beschwert, dass mir nur ein einziges Kind geblieben ist und dass ausgerechnet du und Meister Johann mir dieses eine Kind abspenstig gemacht habt, damit es als Wundärztin bei jeder Schlacht sein Leben und sein Seelenheil aufs Spiel setzt. Gott sei Dank ist sie wenigstens stark und klug, dass das auch jetzt wieder gut ausgegangen ist. Nicht auszudenken, wenn Gott mir auch noch meine Tochter genommen hätte, gerade jetzt, wo mein armer Gatte so kläglich dahingerafft wurde!« Wieder schlug sie sich mit der freien Hand ein Kreuz vor der Brust. »Jetzt also ist gewiss nicht der rechte Zeitpunkt, mir solch unverschämte Lügen an den Kopf zu werfen, wie du vermaledeites Weib es gerade eben getan hast.«
Einen Moment herrschte Stille.
»Bist du fertig mit deinem selbstgefälligen Jammern und Wehklagen?« Das Krächzen Roswithas, mit dem sie das Schweigen brach, klang noch
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