Die Wundärztin
eigenen Vater kann das Weib helfen. Dabei vollbringen sie und ihr besoffener Meister doch angeblich eine Wundertat nach der anderen. Ausgerechnet beim eigenen Fleisch und Blut aber versagt ihre Kunst. Das stinkt doch zum Himmel! Zu nichts ist das Miststück zu gebrauchen.«
»So dürft Ihr nicht reden! Wenn Magdalena ihren Vater hätte retten können, hätte sie es gewiss getan. Aber nicht einmal Meister Johann hat noch was ausrichten können. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Euer Mann war einfach viel zu schwer verwundet.« Aufrichtig bemühte sich Seume, die ungeheure Anschuldigung zu entkräften. »Zudem haben die elenden Hundsfotte von Franzosen nicht einmal das Lazarett verschont, so dass sich kaum einer von dort retten konnte.«
»Ach, das sagt Ihr doch alles nur, um mich zu beschwichtigen. Interessiert Euch meine Tochter? Wenn Ihr Glück habt, hebt sie den Rock für Euch.« Bitterkeit schwang in ihren Worten mit. »Das Weib ist doch froh, dass die Franzmänner ihren Vater aus dem Weg geräumt haben. Jetzt kann sie sich ungestört mit dem Zimmermannslumpen vergnügen.«
»Tante, sag so was nicht!« Elsbeth trat ans Bett und legte Babette die Hand auf die Schulter, über sich selbst erstaunt, wie selbstverständlich sie die Cousine verteidigte. »Magdalena hat ihren Vater zutiefst geliebt und bewundert. Nie im Leben freut sie sich über seinen Tod.«
»Das stimmt, Verehrteste. So wie Euer Mann über sie gesprochen hat, waren die beiden ein Herz und eine Seele. Sie war sein ganzer Stolz. Das gilt umgekehrt genauso.«
Seumes Blick streifte Elsbeth, wie um sich weiterer Unterstützung zu versichern. Dass er so schwülstig von Magdalena schwärmte, wunderte sie nicht. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Blicke, die er ihr letztens zugeworfen hatte. Ganz ohne Hintergedanken pries er die Cousine also nicht an.
»Habt Ihr schon einen Hinweis, wo Magdalena überhaupt steckt?«, fragte Elsbeth ihn leise. »Nicht einmal Meister Johann und Rupprecht konnten uns etwas sagen. Seltsam, als wäre sie vom Erdboden verschluckt. Hoffentlich geht zumindest dieser Kelch an meiner Tante vorüber. Reicht gerade, dass sie ihren Mann verloren hat. Auch wenn sie es sich nicht anmerken lässt: Magdalena zu verlieren wäre ein weiterer schwerer Schlag.«
Gerade wollte Seume sich äußern, da kam vom Flur her eine aufgeregte Stimme näher. Es polterte, als rückte eine ganze Armee an. Etwas fiel krachend zu Boden, daraufhin ertönte ein ungeheuerliches Fluchen, begleitet von abermaligem Scheppern. Elsbeth musste schmunzeln. Es war nicht zu überhören, wer da unterwegs war. Im nächsten Moment flog die Tür auf, knallte schwungvoll gegen die rückwärtige Wand, prallte zurück und wurde abermals weggestoßen. Blinzelnd stand die alte Hebamme Roswitha im Rahmen, dann hatte sie sich zurechtgefunden und watschelte auf ihren krummen, kurzen Beinen ins Zimmer.
»Keine Sorge, Babette, deine Tochter wenigstens lebt.« Das Krächzen ihrer Stimme veränderte sich nicht einmal, wenn sie eine frohe Nachricht zu überbringen hatte. Ihrem runden, runzeligen Gesicht war die Freude dagegen deutlich anzumerken. Die schmalen Lippen lachten von einem Ohr zum anderen, selbst die trüben Augen schienen ein wenig zu glänzen.
»Gott sei Dank!«, rief Elsbeth. Auch Seume brummte erleichtert und drehte den Hut schneller in der Hand.
»Sagst du denn gar nichts?« Roswitha ging zum Bett und sah Babette vorwurfsvoll an. Ehe die sich wehren konnte, schlug sie die Decke zurück. Es kümmerte sie nicht, dass Seume dadurch Babettes halbentblößte Brust zu sehen bekam, an der Fritzchen schon geraume Zeit nicht mehr nuckelte. Geschickt pflückte die Hebamme den Mund des Kleinen mit ihren knotigen Fingern von der Brustwarze und hob ihn hoch. »Komm schon, mein Söhnchen! Mir machst du nichts vor. Hast doch gar nicht mehr richtig getrunken. Tief und fest schläfst du schon, stinkst aber wie ein Schwein. Höchste Zeit, dass du gewickelt wirst. Nicht, dass deine Schwester nachher kommt und dir als Erstes den dreckigen Hintern sauber wischen muss.«
Zärtlich herzte sie das Kind. Zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit sie das tat, schmerzte Elsbeth. Warum hatte sie kein menschliches Wesen zum Liebkosen? Babette dagegen atmete erleichtert auf. Anscheinend war sie froh, den Kleinen für eine Weile los zu sein, was sie jedoch nie offen zugegeben hätte. »Wo steckt Magdalena? Warum kommt sie nicht selbst? Immerhin bin ich ihre Mutter!« Beleidigt zog sie die
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