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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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barscher als sonst. »Ein Wunder, dass du in dem ganzen Sermon überhaupt ein Wort über Magdalena verloren hast. Sonst hat man ja immer den Eindruck, du verschwendest keinen einzigen Gedanken an sie. So eine tüchtige, tapfere Tochter hast du eigentlich gar nicht verdient. Wenn ich sie nicht mit eigenen Händen aus deinem Leib herausgezogen hätte, würde ich nie und nimmer glauben, dass sie dein eigen Fleisch und Blut ist. Wie ich dich kenne, hast du ihr gleich als Erstes die Schuld am Tod deines Mannes in die Schuhe geschoben, weil es ihr nicht gelungen ist, ihn zu retten. Du hast ja nicht die leiseste Vorstellung, wie es zugeht am Rand eines Schlachtfelds. Lieber hockst du hier in deinem sicheren Nest und jammerst allen die Ohren voll, dass sie dich allein lassen. So warst du schon immer: Statt stolz auf die Leistungen deiner Tochter und deines Mannes zu sein, beklagst du stets nur dein eigenes Schicksal. Dein Spatzenhirn reicht eben einfach nicht aus, mehr vom Krieg zu sehen und zu begreifen.«
    »Was fällt dir ein, du alte Vettel?« Das Aufbegehren der Tante klang allerdings schon kleinlauter, und Roswitha ließ sich nicht beirren: »Deinen Eigennutz erkennt man schon daran, dass du nichts Besseres im Sinn hast, als Seume gleich nach Geld zu fragen. Als hätte dein Gatte dir nicht alles besorgt, was in seiner Macht stand. Kisten voll Tand hat er sogar in allergrößter Gefahr noch für dich zusammengerafft, selbst hier in Freiburg hat er dich wieder in einen Palast gebettet. Aber ganz gleich, welche Schätze er dir zu Füßen gelegt hat, dir war es immer zu wenig, du undankbares Weib! Genauso wirst du nie begreifen, was du an deiner Tochter hast.«
    Verächtlich drückte sie ihr das Leintuch, das über ihrer Schulter gelegen hatte, in die Hand. Bevor Babette auch nur eine Silbe erwidern konnte, drehte sie sich um und watschelte hocherhobenen Kopfes hinaus.
    »Warte!« Elsbeth lief ihr hinterher.
    »He, Elsbeth! Wo willst du hin?« Schrill gellte die Stimme Babettes durch die offene Tür. Als ihre Nichte nicht reagierte, wurde die Tante deutlicher: »Dummes Miststück!« Schon flog eines der Kissen durch die Luft. »Meinst wohl, fortan mit Roswitha besser klarzukommen als mit mir. Dann viel Glück mit der alten Vettel! Wenn du jetzt mit ihr gehst, brauchst du nicht mehr zurückzukommen. Ich werde auch allein zurechtkommen. Klaust mir eh nur das Weißzeug unterm Hintern weg. Scher dich zum Teufel, du elende Hure!«
    Elsbeth versuchte, nicht hinzuhören. Wie oft schon hatte sie das Gezeter ertragen? Es lag auf der Hand, dass die Tante nun, da der Onkel tot war, nur noch eins im Sinn hatte: sich und Fritzchen zu retten. Einen Teufel würde sie tun und ihr, der längst lästig gewordenen Nichte, hinterherrennen. Das hatten Babettes Andeutungen Seume gegenüber schon ahnen lassen. Da konnte sie auch gleich freiwillig gehen. Magdalena befand sich in einer ähnlichen Lage. Um die würde die Tante auch nicht lang herumschleichen. Also sollte Elsbeth sich wohl eher an die Cousine halten. Die wusste sich wenigstens zu helfen. Vielleicht kamen sie zu zweit besser klar.
    Unten im Erdgeschoss, kurz vor der Haustür, blieb Roswitha stehen.
    »Was ist mit Magdalena? Wie geht es ihr?«, fragte Elsbeth, sobald sie neben ihr stand.
    »Was fragst du?« Prüfend glitten die wässrigen Augen der Alten über ihre Gestalt. Dass sie dank Babette ihre wenig ruhmreiche Vergangenheit kannte, schien sie nicht zu stören, vielmehr wunderte sie sich über ihr plötzliches Interesse an Magdalena. Trotzig hielt Elsbeth dem argwöhnischen Blick stand.
    »Hast wohl begriffen, dass du nicht mehr allein auf Babette setzen solltest, was? Ganz so einfältig, wie ich dachte, bist du also doch nicht. Um es kurz zu sagen: Es geht ihr den Umständen entsprechend.«
    »Den
Umständen
entsprechend?« Als Elsbeth das kurze Flackern in Roswithas Augen sah, begriff sie sofort. »Na, das trifft sich ja.«
    »Wie meinst du das?« Ganz so schlau, wie die Alte tat, war sie wohl doch nicht. Elsbeth schmunzelte. Das wiederum genügte Roswitha, um ebenfalls zu verstehen. Mit Kennerblick musterte sie Elsbeths dralle Brüste, gewahrte auch das leicht vorgeschobene Becken. Und so erwiderte die erfahrene Wehmutter das wissende Schmunzeln.
    »Wenn ich dir einen Rat geben darf«, krächzte sie, »halte dich trotz allem weiter an deine Tante. Mir scheint, die wird sich bald schon ein neues Nest suchen. Das wird dir bestimmt besser anstehen als das Dasein im Tross, gerade

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