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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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verheiraten hat? Warum dient er den wohl ausgerechnet seiner mittellosen Söldnernichte an? Bestimmt nicht, weil er sich auf unsere Verwandtschaft besinnt und uns etwas Gutes tun will. Wer eins und eins zusammenzählt, begreift sofort: Sein Sohn kriegt keine Frau! Den will einfach keine. Da er aber ein Weib braucht, die ihm einen Erben schenkt, muss die lästige Söldnernichte her. Die ist allemal besser als gar keine Frau im Haus.«
    Babette schnappte nach Luft. Da hatte Magdalena einen Einfall, mit dem sich gleich zwei Fliegen auf einen Schlag erledigen ließen: »Preis ihm doch Elsbeth an! Damit bleibt alles in der Familie, und Elsbeth ist obendrein eine weitaus ansehnlichere Frau als ich. Das betonst du doch sonst so gern. Mit der könnte dein Fassbinderneffe sich überall in Köln sehen lassen.«
    Eigenartigerweise erregte dieser Vorschlag erst recht Babettes Zorn: »Du weißt genau, dass ich Elsbeth nicht mit nach Köln nehmen kann. Niemals würde mein Bruder sie in seinem Haus dulden. Immerhin hat er sich seinerzeit mit Elsbeths Mutter, unser beider Schwester, gründlich überworfen. Deren Schamlosigkeit anderen Männern gegenüber war stadtbekannt. Also völlig unmöglich, dass er sich jetzt deren Tochter als Eheweib für seinen Sohn ins Haus holt. Die ganze Stadt würde ihn verhöhnen! Abgesehen davon, dass man nie sicher weiß, was Elsbeth so alles im Haus klaut und beim nächsten Marketender verhökert.«
    »Solltest du nicht anständiger von der Tochter deiner verstorbenen Schwester reden? Du bist die Letzte, die über Schamlosigkeit und Raffgier herziehen sollte. Vom Hang zum Klauen mal ganz zu schweigen.«
    Patsch! Für diese Äußerung verpasste die Mutter ihr eine kräftige Maulschelle. Bestürzt fasste Magdalena sich an die brennende Wange, ließ sich davon aber nicht zum Schweigen bringen: »Willst du wirklich mich deinem ehrbaren Bruder als Schwiegertochter ins Haus schleppen? Jeder, der rechnen kann, weiß, dass ich lange vor deiner Hochzeit mit Vater gezeugt wurde. Hast du nicht selbst erzählt, dass dein Bruder und deine Eltern drei Kreuze gemacht haben, als du mit Vater in den Tross gezogen bist? Nicht von ungefähr trage ich deshalb auch den Namen der biblischen Sünderin.«
    Gerade holte die Mutter zu einer weiteren schlagkräftigen Zurechtweisung aus, da hielt sie inne, lauschte angestrengt zum Bett hinüber und bedeutete Magdalena Stillschweigen. Aus dem riesigen Kissenlager erklang ein leises Stöhnen und Rumoren, dann wurde es wieder ruhig. Babettes ständige Sorge um Fritzchens Wohlbefinden schmerzte Magdalena. »Weißt du, was, Mutter? Heirate deinen Neffen doch selbst!« Sie verließ das Schlafgemach und knallte die Tür hinter sich zu.
    »Wenn du jetzt gehst, will ich dich nie mehr im Leben wiedersehen!« Babettes Stimme schrillte durch die geschlossene Tür. »Nie im Leben bist du meine Tochter, du erbärmliche Zimmermannshure!«
    Fritzchen war von dem Lärm aufgewacht. Bis auf die Treppe hörte Magdalena sein empörtes Schreien. Sie unterdrückte den Wunsch, zurückzulaufen und ihn Babettes übertriebener Fürsorge zu entreißen. Doch sie konnte sich nicht mehr um ihn kümmern. Mit der Mutter musste er allein zurechtkommen. Bald würde er stark genug sein, ihr standzuhalten.
    11
    Außer Atem und noch immer bebend vor Empörung sowohl über Babettes Vorhaben als auch über Elsbeths Auftritt, erreichte Magdalena das Eckhaus des Apothekers. In den Gassen ringsum war es zu ihrem Erstaunen menschenleer. Zwar hatten sich schon in den letzten Tagen die Händler mehr und mehr zurückgezogen, weil es immer weniger zu feilschen und anzubieten gab. Dennoch hatte in der Stadt nach wie vor reger Trubel geherrscht. Not und Hungerleiden waren für Söldner und Trossleute kein Grund, die Spielkarten wegzustecken und auf das fröhliche Zechen und Huren zu verzichten. Waren die Wunden des letzten Gefechts erst einmal verheilt, konnte die Zeit bis zum nächsten Kampf erbärmlich lang werden.
    Wer sich nicht mit Würfeln und Tändeln die Zeit vertrieb, widmete sich dem Auskurieren von Wehwehchen und Krankheiten. Allein am gestrigen Tag hatten Meister Johann, Rupprecht und Magdalena bis weit nach Sonnenuntergang Patienten versorgt. An diesem Mittag aber schienen auch die Jammerlappen wie vom Erdboden verschluckt, genauso wie die Spielsüchtigen und Trunkenbolde.
    Mit düsteren Vorahnungen riss sie die Eingangstür der Apotheke so ungestüm auf, dass die Glocke aus der Aufhängung sprang und scheppernd

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