Die Wundärztin
stecken könntest. Und das, während die Feinde da oben in den Wäldern hinter jedem Busch lauerten!«
Sie wollte etwas erwidern, da fiel er ihr ins Wort: »Wenn du bei deinem Liebsten bleiben willst, ist das bitter für mich. Trotzdem werde ich deine Entscheidung hinnehmen. Ich bin der Letzte, der sich deinem Glück in den Weg stellt. Überleg es dir jedoch gut, ob Eric Grohnert es wert ist, dass du alles, was dir lieb ist, für ihn aufgibst. Deine Entscheidung wird endgültig sein. Danach kannst du nicht mehr zurück.«
Durchdringend sah er sie an. Sein Atem roch nach Minze, also war die Zeit des wüsten Zechens vorbei. Seine Augen blickten ungewöhnlich klar, sein Gesicht verriet die Sorgen, die er sich machte. Erschöpft befreite sie sich aus seinem Griff und sank zu Boden. Er ließ sie gewähren, bedeutete sogar Rupprecht durch einen Wink mit der Hand, sich zurückzuziehen. Ihr schwirrte der Kopf. Auch ihr Magen rebellierte wieder, so dass sie würgen musste. Sie hustete und schluckte, bis Meister Johann sich zu ihr bückte und ihr den Rücken klopfte.
»Warum bist du so blass? Was ist denn los?«
»Geht schon«, presste sie hervor und versuchte, sich ganz aufs Denken zu konzentrieren. Unwillkürlich spielte sie mit der Lederschnur am Hals und kaute darauf herum. Nach dem Tod ihres Vaters waren Meister Johann, Rupprecht und die alte Hebamme Roswitha die Einzigen, auf die sie zählen konnte. Solange sie nicht sicher wusste, wann und ob Eric zurückkehrte, tat sie gut daran, auf die drei zu bauen. Als Frau allein, noch dazu in wenigen Monaten mit einem kleinen Kind, konnte sie nicht in Freiburg bleiben.
»Wann brechen wir auf?«, fragte sie und erhob sich mit zittrigen Knien. Eiskalt baumelte der Bernstein bei jeder Bewegung auf der nackten Haut zwischen ihren Brüsten.
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Zweiter Teil
Lager
Mittelhessen
Sommer 1646
1
D er Morgendunst löste sich auf und hinterließ eine blaugrau gefärbte Landschaft. Weißgelb schälte sich die Sonne hinter der Silhouette des kegelförmigen Berges heraus. In einem Busch stimmte eine Amsel ein Loblied auf die frühe Tagesstunde an. Aus weiter Ferne tschilpte eine fröhliche Antwort herüber. Aufgeregt hüpfte ein Rotkehlchen von Ast zu Ast und stieß dabei ein scharfes »Zick-zick« aus. Magdalena entdeckte auch einen Gimpel, der die rote Brust der aufgehenden Sonne entgegenreckte. Sein klagendes Rufen lockte weitere Artgenossen an. Schon streckte Magdalena die Hand nach ihm aus, da schreckte ein Schuss die Vögel auf. Empört flatterten sie davon. Magdalena suchte die Berghänge und die weite Ebene nach dem Schützen ab. Bis zum Horizont erstreckten sich die Äcker und Felder. Nirgends war der Störenfried zu sehen. Alsbald senkte sich die Ruhe des frühen Morgens wieder über das Land. Wahrscheinlich, dachte Magdalena, hat einer der Wachposten oben auf dem Berg eine Taube gejagt, um sich eine spärliche Fleischeinlage für den Suppenkessel zu beschaffen.
Einer stolzen Königin gleich thronte Amöneburg oben auf dem Berg. Magdalena war der Anblick vertraut. Mehrmals schon hatte das Regiment in den letzten Jahren in der Gegend gelagert. Sie legte das Messer, mit dem sie einige Stengel Nelkenwurz geschnitten hatte, in den Korb und setzte sich auf einen Stein. Die kleine Verschnaufpause tat gut.
»Träum nicht!« Das Krächzen Roswithas klang liebevoller, als die barsche Aufforderung glauben machte. Lächelnd watschelte sie herbei. Selbst im Sitzen war Magdalena nicht viel kleiner als die Hebamme. Schon sprach sie weiter: »Die Stadt hat schon was. Gut, dass es die Unsrigen in diesem Sommer endlich geschafft haben, die Schweden davonzujagen. So oft schon haben wir hier gelagert und sind am Ende doch unverrichteter Dinge abgezogen. Höchste Zeit, dass wir endlich da oben unsere Fahnen hissen konnten. Schade nur, dass die Heringfresser die Vorratslager so gründlich geplündert haben. Der Sieg hat uns also nicht die Mägen gefüllt. Zudem sind sich die Herren Offiziere leider nicht einig, ob wir noch vor dem Herbst Richtung Süden ziehen und uns bei den Bayern endlich satt fressen dürfen oder ob wir halb verhungert noch ein paar Wochen hier bei Amöneburg abwarten sollen, bis die Schweden zurückkehren.«
»Was du schon wieder alles weißt.« Magdalena zwirbelte gedankenverloren an einer ihrer roten Locken, die unter dem hellen Kopftuch hervorgerutscht waren. Versonnen blickte sie Richtung Berg.
»Ich bin halt nicht so verliebt wie du.«
»Was?« Abrupt drehte
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