Die Wundärztin
ihr die Schurken gefunden habt?« Ungeduldig riss der Alte an Magdalenas Ärmel. Auch die Braunhaarige wollte nicht mehr länger auf die Folter gespannt werden: »Ist das ein Geheimnis, oder warum sagt uns keiner was?«
»Also gut, wenn Magdalena nicht will, erzähle ich es euch«, schaltete sich Elsbeth mit ihrer tiefen Stimme ein. Dass sich noch andere umdrehten, um ihr zuzuhören, bereitete ihr großes Vergnügen. Kokett wippte sie das Kind auf der Hüfte. Seiner rotblonden Haare und der tiefblauen Augen wegen musste man es für Elsbeths eigenes halten. Wie zufällig streckte Elsbeth ihren Busen heraus und genoss es sichtlich, dass sich der Alte bei diesem Anblick bereits die Lippen zu lecken begann. Kokett zwirbelte sie mit der freien Hand eine helle Locke und legte den Kopf leicht schief. Ihre himmelblauen Augen strahlten unbekümmert aus dem runden, ebenmäßigen Gesicht. Magdalena ließ sie gewähren. Anders als ihre Cousine hasste sie es, so viel Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn Elsbeth sich einigermaßen an die Wahrheit hielt, waren die Leute sicher zufrieden.
»Noch ganz früh am Morgen war es, als Magdalena und die alte Hebamme Roswitha in der Ebene westlich von Amöneburg unterwegs waren, um Kräuter zu sammeln«, begann die Cousine ihren Bericht. »Statt auf die erhofften Heilpflanzen sind die zwei zufällig auf Seumes Männer gestoßen. Kurz zuvor erst hatten diese die beiden Schurken aufgegriffen. Gemeinsam gingen sie ins Lager zurück. Bei der anschließenden Befragung waren Magdalena und Roswitha natürlich dabei.«
Elsbeth sonnte sich in der ihr zukommenden Aufmerksamkeit und verstieg sich in grausame Einzelheiten. Mehrmals küsste sie Carlotta auf den Kopf und liebkoste sie, sobald sie merkte, dass die Frauen ihr dafür anerkennende Blicke zuwarfen. Den Männern zwinkerte sie dagegen aufreizend zu, was wiederum diesen gut gefiel.
Schweigend beobachtete Magdalena das Schauspiel. Schweiß stand ihr auf der Stirn, das Leinen ihres Mieders klebte nass am Rücken. Es war ihr, als durchlebte sie die nicht eben zimperliche Befragung der Gefangenen noch einmal. Wie Elsbeth sich trotz der grausigen Schilderungen so aufreizend gebaren konnte, war ihr ein Rätsel. Um zu unterstreichen, wie stolz sie auf Magdalenas Heldentat war, legte Elsbeth ihr die Hand auf die Schulter und strahlte sie an. Magdalena zwang sich ebenfalls zu einem freundlichen Gesichtsausdruck. Die Zuhörer klatschten begeistert in die Hände.
»Hoch soll sie leben!«
»Ein dreifaches Hoch auf die rote Magdalena!«
Schlapphüte flogen steil in die Luft, wild flatterten die roten Federn daran auf.
»Siehst du, so machst du dir Freunde«, raunte Elsbeth Magdalena triumphierend zu. Das einsetzende Trompetensignal bereitete dem Jubel ein jähes Ende. Alle wandten sich nach rechts. Der Trommelwirbel schwoll an. Noch einmal stieß der Trompeter in sein Instrument. Carlotta jauchzte und strampelte vor Freude. Elsbeth tat sich schwer, sie auf dem Arm zu halten. Einen Augenblick sah es aus, als torkele sie, und sie musste mit dem freien Arm durch die Luft rudern, um das Gleichgewicht zu halten.
»Gib sie mir!«, befahl Magdalena und holte sich ihre Tochter wieder zurück. Zufrieden presste sie die Kleine an sich und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihr Kopf kuschelte sich gegen ihre Brust, warm schmiegte sich der kleine Körper gegen den ihren. Sie fühlte eben doch, wer ihre wahre Mutter war. Eine Woge der Zärtlichkeit durchflutete Magdalena. Fast fühlte es sich an wie damals in Freiburg auf dem Heuboden, wenn Eric sie umarmte. Tränen stahlen sich in ihre Augen, rannen langsam die Wangen hinab. Wenigstens Erics Tochter konnte ihr keiner nehmen. Und den Bernstein nicht, der sie beide ganz im Sinne Erics beschützte. Suchend tastete die Kleine gerade unter dem Mieder nach der Lederschnur. Behende fasste Magdalena nach den winzigen Fingern und hielt sie davon ab. Niemand außer ihnen beiden durfte von dem Schatz wissen.
»Der Profos kommt!«, wisperte es in der Menge. Ehrfürchtig teilten sich die Neugierigen in zwei Gruppen, so dass sich dem Offizier und seinem Gefolge eine breite Gasse öffnete. Hagen Seumes massige Gestalt beeindruckte bereits ohne den reichgefederten Hut. Mit dem Kopfschmuck aber haftete ihm etwas Verwegenes an, was er durch das schwungvolle Schwenken der Kopfbedeckung gern unterstrich. In weiten Schritten holte er aus, dabei blinkte das dunkle Leder seiner frisch gewichsten Stulpenstiefel in der Sonne auf. An dem
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