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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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er nach: »Es hält die Fliegen ab.«
    Ratlos zuckte Magdalena die Schultern. Es war nicht das erste Mal, dass Meister Johann sich solche Eigenartigkeiten erlaubte. »Nun sag mir schon, wie Seume dazu kommt, ihn für den Dritten im Bunde der Soldatenmörder zu halten«, drängte sie.
    »Weißt du das nicht?« Ächzend erhob er sich vom Boden.
    »Ich dachte bislang, es waren zwei«, sagte sie. »Von einem Dritten war nie die Rede. Ich war doch dabei, als die beiden anderen aufgegriffen wurden. Selbst unter der Folter haben sie keinen weiteren Namen genannt. Ich kann es einfach nicht glauben, dass es noch einen dritten Mann gibt.«
    »Sag das nicht zu laut.« Eindringlich sah er sie an. »Seume mag nicht, wenn zu viel gefragt wird. Wir sollten ihm vertrauen. Er wird schon wissen, wen er hat gefangen nehmen lassen. Wir werden den Mann jetzt herrichten, damit er bei vollem Bewusstsein die gerechte Strafe für seine Übeltat bekommt. In ein paar Tagen schon wird er am Galgen baumeln, und Seume ist zufrieden.«
    »Als ob wir nichts Besseres zu tun hätten.« Magdalena fühlte sich außerstande, klein beizugeben. »Der ausbleibende Regen und das fehlende Brot machen allen zu schaffen. Auf dem Weg zum Richtplatz habe ich gesehen, wie schon wieder einige Frauen Sägespäne unters Mehl gemischt haben, damit sie überhaupt was zum Backen zusammenkriegen. Ich wette mit dir, wir zählen heute Abend kaum bis fünf, da bringen die uns ihre Brut, weil die sich vor Leibschmerzen windet. Von all den anderen, die ihren Hunger mit Branntwein bekämpfen und deshalb unsere Kräuter brauchen, ganz zu schweigen.«
    »Was kümmert es dich, dass wir den Schurken hier vor uns haben? Wie oft haben wir schon einen gesund gepflegt, nur damit er aufrecht unterm Galgen steht? Wenn du das nicht erträgst, dann bist du hier fehl am Platz.« Verärgert schnaufte der Feldscher auf und bückte sich nach dem Branntweinschlauch. Herausfordernd sah er sie an, während er zu einem kräftigen Schluck ansetzte. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, verkniff sich allerdings eine Bemerkung.
    In versöhnlichem Ton sagte er: »Sei gescheit, Magdalena: Gegen Seume aufzubegehren bringt nichts. Denk lieber an dein Kind. Wenn die Kleine jemals unbehelligt groß werden soll, um auf eigenen Beinen zu gehen, musst du tun, was Seume sagt.«
    Es versetzte ihr einen Stich, dass ausgerechnet er sie an das Wohl ihrer Tochter gemahnte. Gemeinhin überging er das Vorhandensein der Kleinen. Als sie ihm seinerzeit die Schwangerschaft gebeichtet hatte, hatte er schwer mit sich gerungen, sie als Gehilfin zu behalten. Um nicht im Hurenlager zu enden, hatte sie ihm weisgemacht, das Kind entstamme einer Vergewaltigung. Weil sie dank ihres Geschicks als Wundärztin unentbehrlich für den Feldscher war, durfte sie schließlich bleiben. Zugute kam ihr obendrein, dass Elsbeth nach dem Verlust ihres eigenen Kindes Carlotta weitgehend versorgte.
    »Trotzdem.« Wie ein bockiges Kind begehrte Magdalena ein letztes Mal auf. »Da stimmt was nicht.« Widerwillig machte sie sich daran, zusammen mit den beiden Männern den Zustand des Verwundeten zu prüfen.
    Der Mann war auf das übelste zugerichtet. Ihn für die Hinrichtung zu heilen versprach alles andere als leicht zu werden. Die Haut über seinem Unterleib klaffte weit auseinander, die Gedärme quollen teilweise heraus. Der süßliche Geruch hatte die Fliegen angelockt. Einige krabbelten bereits über die Wunde. Meister Johann versuchte, sie zu verscheuchen; so schnell aber wollten sie sich das Festmahl nicht entgehen lassen. In der angespannten Stimmung im Zelt wurde ihr Surren unerträglich. Rupprecht begann, Arme und Beine des Mannes festzubinden, damit sie ungestört die Instrumente ansetzen konnten. Magdalenas Blick glitt über den halbnackten Leib. Wo er unversehrt war, verrieten sehnige Gliedmaßen und die muskulöse Brust, dass der Mann vor Gesundheit und Kraft gestrotzt haben musste. Die sonnengebräunte Haut schimmerte fiebrig. Magdalena war versucht, mit den Fingerkuppen über den zarten, blonden Haarflaum zu streicheln. Das erinnerte sie an Eric. Unterhalb der linken Achsel fiel ihr Blick auf ein Muttermal. Erschrocken zuckte sie zurück. Auf einmal kam es ihr seltsam vertraut vor, genau wie das Muster der blauroten Adern an den Unterarmen. Unsinn! Sie musste sich täuschen. Das war völlig unmöglich.
    »Hol rasch die Instrumente. Wenn wir noch lange warten, ist er hin.«
    Barsch riss Meister Johann sie aus ihren Überlegungen. Er

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