Die Wundärztin
um noch etwas auszurichten.«
»Was ist passiert? Sprich nicht in Rätseln, sondern sag endlich, worum es geht.«
»Sie haben den dritten Mann gefunden.«
»Welchen dritten Mann?« Erstaunt löste sie sich aus seinem Griff und trat zwei Schritte zur Seite, damit sie etwas Abstand zu den Neugierigen bekamen.
»Den Kumpan von den beiden Schurken da vorn, die gleich am Galgen baumeln werden.« Breitbeinig stellte Rupprecht sich hin und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Red keinen Unsinn. Da gibt es keinen dritten Mann. Das weißt du genauso gut wie ich. Die zwei waren allein. Selbst unter der Folter haben sie das noch geschworen. Die ganze Nacht war ich dabei, wie die Steckenknechte ihnen zu Leibe gerückt sind. Unmöglich, dass sie nichts davon preisgegeben haben.« Kurz blitzte die Erinnerung an die Schreie auf, mit denen die Männer letzte Nacht vergeblich um Gnade gefleht hatten. Unvorstellbar, dass sie der peinlichen Befragung standgehalten und den Hinweis auf einen Spießgesellen verschwiegen hatten.
»Komm mit, und du wirst mir glauben«, sagte Rupprecht bestimmt. »Drüben im Zelt liegt der dritte Mann. Ihm geht es nicht sonderlich gut. Du kannst dir vorstellen, dass diejenigen, die ihn aufgegriffen haben, nicht gerade zimperlich mit ihm umgesprungen sind. Bevor er zum Richtplatz ging, hat Seume ihn noch selbst angeschaut und ausdrücklich angeordnet, dass Meister Johann ihn zusammenflicken soll, damit er seine Hinrichtung erlebt. Wenn du dich nicht beeilst, wird der Schurke draufgehen. Schade ist es zwar nicht um ihn, aber ich weiß nicht, was Seume mit uns anstellt, wenn er den Kerl nicht eigenhändig aufknüpfen kann.«
»Ist ja schon gut, ich komme schon.« Obwohl sie sich ungern das Spektakel auf dem Richtplatz entgehen ließ, wusste sie, dass sie besser daran tat, Rupprecht zu folgen. Seume machte sie sich besser nicht zum Feind. Ein letzter Blick zu Elsbeth genügte, um zu wissen, dass weder die Cousine noch Carlotta sie in der nächsten Zeit vermissen würden. Gebannt starrten die beiden nach vorn, wo gerade einer der Steckenknechte unter dem Jubel der Zuschauer das Glüheisen zu einem der Delinquenten brachte.
3
Hastig eilte Magdalena hinter Rupprecht her, was angesichts des Aufruhrs im Lager nicht einfach war. Mehr als einmal war sie gezwungen, einen Haken zu schlagen, um den Entgegenkommenden, die weiterhin in großen Scharen zum Richtplatz strömten, auszuweichen. Rupprechts dunkler Wuschelkopf verlor sich im Gewühl. Seine fehlende Körperlänge machte er durch seine drahtige Figur wett. Flink wie ein Wiesel drückte er sich durch die engsten Löcher.
Außer Atem und schweißnass erreichte Magdalena Meister Johanns Wagen, der wie üblich etwas abseits der übrigen Trosswagen stand. Das Behandlungszelt war an der dem Lager abgewandten Seite aufgeschlagen. Kläglich drang das Stöhnen des Verwundeten nach draußen. Rupprecht hatte wohl recht mit seiner Behauptung, dass der Halunke bei seiner Ergreifung nicht gerade behutsam angefasst worden war. Sie konnte die Wut ihm gegenüber gut nachvollziehen. Zu tief hatte sich der Anblick der toten Soldaten auch in ihrer Erinnerung eingebrannt. Dass sie ihr Können ausgerechnet dazu einsetzen musste, feige Meuchelmörder für die Hinrichtung zu kräftigen, behagte ihr ganz und gar nicht. Mit einem flauen Gefühl im Magen öffnete sie die Zeltplane.
Ein strenger Geruch schlug ihr entgegen. Sie war einiges gewohnt, doch mit leerem Magen war der Gestank nach Blut, Schweiß, Urin und Erbrochenem noch schwerer zu ertragen als sonst, zumal die Hitze unter der Plane die Luft besonders stickig machte. Unerbittlich brannte die Vormittagssonne darauf nieder. Auch in dieser Ecke des Lagers fehlte es an Bäumen, die erholsamen Schatten hätten spenden können. Der breite Rücken des Feldschers verdeckte die Sicht auf die Matte. Magdalena reckte sich, um Meister Johann über die Schulter zu sehen. Dabei fiel ihr Blick auf den Branntweinschlauch. Gut gefüllt lag er griffbereit auf dem Boden neben Meister Johanns Knien. Nicht nur den Patienten würde er damit helfen, das Elend besser auszuhalten.
»Weißt du, was es mit ihm auf sich hat?«, fragte sie. Seltsamerweise hatte er das Gesicht des Patienten mit einem dünnen Leintuch bedeckt, das sich im Rhythmus des Luftholens hob und senkte. Magdalena wollte es wegnehmen, aber Meister Johann hielt sie zurück.
»Nicht! Ich sage dir Bescheid, wenn du es wegziehen kannst.« Als sie ihn fragend anstarrte, schob
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