Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
hüftlangen Rock, den er trotz der Hitze über dem Wams trug, fanden sich auffällige Perlenstickereien, Rosetten und Steppereien. Selbst das Band, mit dem seine Pluderhosen unterhalb der Knie gebunden waren, wies aufwendigen Zierat auf. Angesichts des geckenhaften Eindrucks, den Seume damit erweckte, musste Magdalena schmunzeln. Dabei kannte sie ihn schon so lange. Immerhin war er ein Freund ihres verstorbenen Vaters gewesen und der zweite Pate ihres kleinen Bruders, der mit der Mutter in Köln lebte. Um seiner Würde mehr Gewicht zu verleihen, umrundete Seume bedächtig den gesamten Platz. Ein knapper Befehl genügte, dass die Leute untertänig einen Schritt nach hinten traten. Erhaben schritt er ihre Reihen ab. Hin und wieder hielt sich einer die Finger an die Nase. Gewiss hatte Seume nicht am Duftwasser gespart, das er sich seit einigen Monaten von Magdalena mischen ließ. Der süßliche Moschusgeruch schwebte über den Menschen, überdeckte die der Hitze geschuldeten Gerüche.
    Hinter Seume führten die Steckenknechte die beiden Gefangenen um den Richtplatz. Mit bloßen Füßen stolperten sie über die staubige Erde. An den Händen aneinandergefesselt, taumelten sie mehr übereinander, als dass sie noch gehen konnten. Blutig hing ihre Haut in Fetzen. Die Gesichter waren verquollen und von Blutergüssen entstellt. Die Nägel hatte man ihnen von den Fingerkuppen abgezogen. Selbst auf einige Entfernung waren die Schwellungen noch sichtbar.
    »Schaut euch diese Sauhunde an!« Wie auf Befehl erhob sich das wütende Gejohle der Schaulustigen, die die Delinquenten anstarrten, als handelte es sich um wilde Tiere.
    »Hängt sie auf!«
    »Stecht die Schweine ab!«
    »Aber nicht, bevor sie ihre Kumpane verraten haben!«
    »Aufs Rad mit ihnen!«
    »Lasst sie erst noch den schwedischen Trank probieren!« Das waren noch die harmlosesten Rufe, mit denen lauthals ein blutrünstiges Spektakel gefordert wurde. Das lange Ausharren der Menschen in der prallen Sonne heizte die Wut weiter an. Die Stimmen klangen bald schriller, die Forderungen wurden grausamer. Jeder wollte die Übeltäter mit eigenen Augen sehen und versuchte, sich noch ein Stück weiter nach vorn zu schieben. Bald warf der Erste Unrat in Richtung der Gefangenen, dem sogleich Holzstücke und Steine folgten. Allerdings trafen die Wurfgeschosse in den seltensten Fällen die Übeltäter vorne am Richtplatz, sondern landeten vielmehr auf den Schädeln und Leibern unbeteiligter Zuschauer. Einige Männer versuchten, die wütende Menge im Zaum zu halten. Schließlich schoss ein Steckenknecht zur Warnung in die Luft, was zumindest für einen Augenblick Ruhe einkehren ließ.
    Unter den Galgenpodesten kam die kleine Prozession aus Seume, den beiden Übeltätern und den Steckenknechten zum Stehen. Unweit davon wurde ein Feuer geschürt, und ein Knecht hielt Eisenstangen zum Erhitzen hinein. Zwei weitere Helfer schleppten stinkende Kübel Jauche herbei. Ein Raunen ging durch die Menge. Jeder wusste, was diese Vorbereitungen zu bedeuten hatten. Mit schreckgeweiteten Augen verfolgten auch die gefesselten Männer das Tun. Der eine begann, wild um sich zu schlagen, weshalb zwei weitere Soldaten herbeisprangen, um ihn festzuhalten. Der andere sank ohnmächtig zu Boden. Hilflos versuchten seine Bewacher, ihn wieder nach oben zu reißen, ließen es nach drei vergeblichen Versuchen allerdings sein.
    Bei diesem Anblick drückte Magdalena der verblüfften Elsbeth entschlossen die kleine Carlotta in den Arm und schob dabei ungewöhnlich brüsk deren Händchen weg, das nach ihrer Brust grapschte. Dabei verspürte Magdalena einen kurzen Ruck am Hals, den sie sich nicht erklären konnte. Also verdrängte sie das ungute Gefühl und stürzte los, um Seume ihre Hilfe anzubieten. Die beiden Übeltäter sollten zumindest so weit wiederhergestellt werden, dass sie die ihnen zugedachte Strafe bei vollem Bewusstsein erhielten.
    »Magdalena!« Energisch hielt sie jemand am Arm zurück. Wütend suchte sie den Mann abzuschütteln.
    »Meister Johann braucht dich.«
    Als sie den Namen des Feldschers vernahm, drehte sie sich um. Wie aus dem Nichts stand Rupprecht hinter ihr.
    »Siehst du nicht, dass ich zu Seume will, um ihm mit diesen Schurken zu helfen?«
    »Du musst mitkommen.« Rupprechts dunkle Augen verrieten keine Regung. »Darauf wird auch Seume großen Wert legen. Da vorne kann ihm einer der anderen Feldscher zur Hand gehen, drüben im Zelt von Meister Johann aber müssen wir drei gemeinsam ran,

Weitere Kostenlose Bücher