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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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es zu handfesten Raufereien. Wer dabei zu Boden ging, hatte Pech, weil ihn die Nachfolgenden erbarmungslos überrannten. Mütter schrien verzweifelt nach ihren Kindern, Väter hielten Ausschau nach ihren Weibern, Kinder weinten, weil sie im dichten Gewühl der Körper kein bekanntes Gesicht mehr ausmachen konnten.
    Seit Tagesanbruch rief das rhythmische Trommeln die Scharen herbei. Groß und Klein, Männer wie Frauen versetzte es in einen seltsamen Taumel. Ungnädig brannte die Sonne auf den Platz. Beim Errichten des Quartiers vor einigen Wochen waren die schattenspendenden Bäume größtenteils abgeholzt worden. Lediglich den Lauf des kleinen Flusses Ohm weiter östlich sowie einige Stellen des Offizierslagers säumten noch hinreichend große Stämme. Je länger die Menschen der Sonne ungeschützt ausgesetzt waren, desto unberechenbarer wurden sie.
    Doch es war nicht die Sonnenglut allein, die den gefährlichen Rauschzustand verursachte. Reines Trinkwasser war längst ebenso knapp wie Brot oder gar Fleisch, wohingegen Wein und Bier in erstaunlichen Mengen verfügbar waren. Nüchtern blieben deshalb die wenigsten, von den Kindern einmal abgesehen. Unter leeren Bäuchen, die ebenfalls zu Raserei führten, litten alle gleichermaßen. Der beißende Geruch nach Fäulnis, der über den Zelten und Planwagen hing, tat ein Übriges, die Menschen zu martern.
    Magdalena schien es, als müsste sie immerfort langsamer atmen, was zu einer weiteren Trübung der Sinne führte. Die Junihitze war unerträglich und ließ alles vergammeln. Gleichzeitig rückten die Abfallgruben stetig näher ans Lager heran. Kaum einer nahm die Mühsal noch auf sich, den Unrat zu den Gruben zu schleppen. Auch die weiter draußen liegenden Latrinen und Aborte wurden nicht mehr aufgesucht. Stattdessen verrichtete jeder sein Geschäft gerade da, wo es ihn überkam. Höchste Zeit, dass es endlich wieder regnete. Das Wasser würde nicht nur den Dreck wegspülen, sondern auch die Menschen aus ihrer Trägheit reißen.
    Magdalena spürte, wie die dumpfen Trommelschläge in ihrem Innersten widerhallten, ihren Körper in ähnliche Schwingungen versetzten wie die ihrer Mitmenschen. Unwillkürlich schaukelte sie die kleine Carlotta im Takt der Pauken auf den Hüften. Trotz des dichten Getümmels schien das einjährige Mädchen Gefallen daran zu finden. Munter patschte es die Händchen gegeneinander, stieß die Beinchen vergnügt gegen Magdalenas Leib und jauchzte vor Freude.
    »Lass uns weiter nach vorn gehen«, schrie Elsbeth in Magdalenas Ohr. »Von hier aus sehen wir nichts.« Flink schob sich die Cousine bereits zwischen den vor ihr stehenden Männern hindurch und zog Magdalena am Handgelenk hinter sich her. Immer wieder sah sie das helle Kopftuch in der Menge aufblitzen. Elsbeths Körpergröße war ein immenser Vorteil. Sie sah nicht nur über die Köpfe der anderen hinweg, sondern konnte auch von weitem den besten Durchschlupf erkennen. Magdalena fiel es weitaus schwerer, in der dichten Menge voranzukommen. Den meisten reichte sie gerade bis zur Schulter. Drehte sich einer zu heftig um, bekam sie einen schmerzhaften Hieb vor die Brust. Mit der Kleinen auf dem Arm wagte sie kaum, entschiedener zu drängeln. Eine ganze Zeit nach Elsbeth erreichte Magdalena endlich die vorderen Reihen. Sie wunderte sich, kaum ein bekanntes Gesicht in der Menge auszumachen. Die Leute ihres Fähnleins mussten in einer anderen Ecke des Richtplatzes auf das Schauspiel warten. Entgehen lassen würde sich das Spektakel niemand.
    »Macht Platz für die rote Magdalena«, raunte ein alter Soldat ehrfürchtig und bahnte ihr eine Gasse. Wenigstens einer, der sie erkannte. »Sicher braucht der Profos dich gleich. Die elenden Halunken werden so tun, als könnten sie nicht mehr auf eigenen Füßen zum Galgen laufen, und lautstark nach dem Wundarzt rufen.«
    »Um unsere Soldaten hinterrücks zu meucheln, waren sie noch stark genug.« Eine Frau mittleren Alters schüttelte verärgert den Kopf, so dass ihre borstigen, braunen Haarfransen aus dem Kopftuch rutschten. Trotz ihrer Empörung musterte sie Magdalena neugierig. Ihre Lippen verzogen sich schließlich zu einem Lächeln, und sie rückte etwas zur Seite, um ihr eine bessere Sicht zu ermöglichen.
    »Gleich erhalten die Schurken ihre gerechte Strafe.« Wie selbstverständlich drängte sich Elsbeth in die Lücke und zog damit die Aufmerksamkeit der Frau auf sich. »Hoffentlich spricht sich das bei den Leuten in Amöneburg rum. Dort hätte

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