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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Johann keine Notiz nahmen. Trotz der mageren Zeiten strahlten die Männer der schweren Reiterei Überlegenheit aus. In weitem Bogen ritten sie zu dem Flüsschen hinüber und umrundeten das Lager an dessen weiteren Verlauf nach Norden. Bald waren sie nur mehr verschwindend kleine Punkte am Horizont, die in einer Wolke aus Staub munter auf und nieder zu hüpfen schienen.
    »Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glatt meinen, du hättest mit deinem Bernstein die Reiter herbeigezaubert.« Meister Johann lachte auf, doch es war ein freudloses Lachen. »Pass auf dich auf, Mädchen! Wenn einer von deinem Schatz erfährt, kann es übel für dich ausgehen. Gier kennt keine Vernunft. In Zeiten wie diesen sowieso nicht.«
    14
    Auf dem Weg zurück ins Lager kamen Magdalena und Meister Johann immer mehr Menschen entgegen. Nicht allein die Zimmerleute machten sich auf, die Schanzen zu befestigen. Mehrere Rotten Söldner begleiteten die Trupps. Karren mit Holz und groben Steinen sowie Leiterwagen mit den unterschiedlichsten Werkzeugen folgten. Bald tauchten die ersten Geschütze auf, die auf dem Kampffeld in Stellung gebracht werden sollten.
    Hinter der Reihe Planwagen, die das Lager nach außen abschirmten, erwartete Magdalena und der Feldscher eine ausgelassene Stimmung: Es gab kaum ein Zelt oder ein Verschlag, vor dem nicht ein Söldner am Feuer saß und Bleikugeln goss oder seinen Pallasch polierte. An anderer Stelle wurden Messerklingen geschliffen, das Leder der Pistolengürtel eingefettet oder Pulvertaschen geflickt. Die Söldnerfrauen machten sich an den Röcken und Hüten zu schaffen, nähten Knöpfe an oder stopften Löcher, während die Kinder aufgeregt zwischen den Erwachsenen umherhüpften. Die Trägheit, die sich in den letzten Wochen im Lager breitgemacht hatte, war verflogen. Nicht einmal das Jammern über die dürftige Kost und die wässrigen Suppen war noch zu vernehmen. Stattdessen schienen alle dem Aufeinandertreffen mit den Schweden entgegenzufiebern. Die Ersten stachelten bereits zu Wetten an, wie der langersehnte Kampf gegen die Heringfresser wohl dieses Mal ausgehen mochte.
    »Sieh an, die rote Magdalena und Meister Johann! Hoffentlich habt ihr die richtigen Wundermittel beisammen, um uns zu retten, wenn sich doch mal eine schwedische Kugel in unsere Leiber verirrt.«
    »So weit wird es nicht kommen. Bevor die überhaupt zum ersten Schuss anlegen, haben wir sie schon plattgemacht.«
    »Wahrscheinlich haben sie sowieso wieder nur nasses Pulver dabei. Wisst ihr noch, wie es damals in Freiburg mit den Franzosen zuging? So werden wir es dieses Mal mit den Schweden halten.«
    »Wollen wir hoffen! Für alle Fälle aber besorg ich mir trotzdem noch was von meiner Liebsten. Bei allem Respekt vor Meister Johanns Kunst hat es mir bislang immer Glück gebracht, eine Locke aus ihrem Haar unterm Hemd zu tragen.«
    »Darf ich mir auch eine bei ihr auszupfen? Ich nehme aber lieber nicht die vom Kopf.« Das schmutzige Lachen ließ keinen Zweifel daran, welche Körperstelle der Soldat im Sinn hatte.
    »Ein Splitter aus dem Galgen kann auch nicht schaden.« »Oder die Kralle eines schwarzen Huhns.«
    Die Vorschläge, welcher Art der Talisman sein sollte, der einen am besten vor Unglück in der Schlacht bewahrte, wurden immer abenteuerlicher. Meister Johann blieb nicht einmal stehen, um auf die Zurufe der Männer einzugehen. So schwer es Magdalena fiel, den Unsinn mit den Hühnerkrallen und Galgensplittern unwidersprochen zu lassen, so tat sie es dennoch dem Feldscher nach.
    »Versprich mir eins!« Einer der Männer sprang zu ihr und verstellte ihr den Weg. »Wenn ich halbtot ins Lazarett gebracht werde, dann will ich nur von dir aufgeschnitten werden.« Hastig küsste der Mann sie auf den Mund, bevor er ihr den Weg wieder freigab. Einen anderen ermutigte das, sich ebenfalls vor sie hinzustellen: »Auch ich will nur von dir ins Jenseits befördert werden, sollte es so weit sein, meine hochverehrte Magdalena.«
    Wie ein Höfling vollführte er eine tiefe Verbeugung vor ihr, streckte den Arm dabei nach einer weit ausholenden Bewegung ab und kreuzte die Beine zu einem Knicks.
    »Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommt.« Magdalena erwiderte die übertriebene Geste mit einem Lachen und schickte sich an, jedem weiteren Soldaten aus dem Weg zu gehen. Meister Johann war schon fast bei seinem Zelt angelangt. Sie beeilte sich, ihm zu folgen.
    Auf den ersten Blick schien unter der Zeltplane alles friedlich. Eric lag ruhig

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