Die Wundärztin
räusperte er sich. Seine Stimme war so leise, dass sie die Ohren spitzen musste, um ihn zu verstehen. »Im Lager wird schon eifrig getuschelt, dass es sich bei dem dritten Mörder um Eric Grohnert handelt. Manch einer erinnert sich gut an ihn, besser, als dir lieb sein kann.«
»Was meinst du damit?«
»Ganz so unauffällig habt ihr euch damals in Freiburg schließlich nicht verhalten. Dass du neun Monate später ein großes, rotblondes, blauäugiges Mädchen zur Welt gebracht hast, ist ebenfalls bekannt. Die Geschichte mit der Vergewaltigung hat noch nie sehr überzeugend geklungen. Und dass du jetzt unablässig Krankenwache hältst, haben mehr Leute mitbekommen, als dir lieb sein kann.«
»Was?« Trotz des Flüsterns hatte Eric alles verstanden. »Die Kleine ist unser Kind?«
»Wessen Kind soll sie sonst sein?« Magdalena versetzte es einen Stich, dass er es auf diese Weise erfahren musste. Gleichzeitig ärgerte sie sich, dass er nicht von selbst darauf gekommen war. Wollte er es nicht wahrhaben? Unwillkürlich fasste sie sich an die Brust, tastete vergebens nach der harten Erhebung, die sonst der Bernstein unter dem Mieder verursachte. Halb drehte sie sich zu Eric um und sah, dass er den Bernstein weggesteckt hatte. Ein Anflug von Furcht bemächtigte sich ihrer. War es nicht doch besser, sie nahm den Stein wieder an sich? Wenn sie ihn nicht trug, widerfuhr ihr nur Unglück, wie letztens nachts, als Seume über sie hergefallen war. Ihr Herz raste.
»Elsbeth steckt dahinter, nicht wahr? Sie erzählt das überall herum.« Auf einmal klang Magdalenas Stimme wieder entschlossen. Sie strich sich über die bandagierte Hand und bewegte vorsichtig die Finger.
»Ob Elsbeth dahintersteckt oder nicht, spielt keine Rolle. Für wie dumm hältst du eigentlich die anderen im Tross?« Rupprechts dunkle Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, sein bartloses Gesicht wirkte finster. Zumindest sprachen sie beide auf gleicher Höhe miteinander. Wenn er ausatmete, spürte sie den warmen Lufthauch auf der Nasenspitze. Schweigend verharrten sie voreinander. Das plötzliche Poltern und Fluchen aus dem benachbarten Planwagen löste die Erstarrung. Beunruhigt sahen sie einander an.
»Da ist jemand!« Schon sprang Rupprecht hinüber. Weiteres Rumpeln ertönte, gefolgt von leisem Fluchen und Schimpfen. Gebannt horchte Magdalena.
»Was hat das zu bedeuten?«, flüsterte Eric.
»Scht!« Warnend legte Magdalena den Zeigefinger auf die Lippen und nickte mit dem Kopf zum Planwagen.
»Roswitha, was soll das?« Rupprechts aufgebrachter Ausruf erklärte alles. Erleichtert atmeten sie auf. Wenig später humpelte die Hebamme, gefolgt von Rupprecht, ins Zelt. Dabei blitzte etwas in ihrer Hand. Magdalena brauchte nicht lang, um zu erkennen, worum es sich handelte.
»Das habe ich drüben im Planwagen gefunden. Kann mir einer erklären, was das hier soll?« Die wässrigen Augen der Alten verrieten, dass sie die Antwort längst wusste. Ihre Miene wirkte besorgt, als sie Seumes goldene Tabakdose in den schwieligen Händen drehte.
»Elsbeth war wohl schneller, als ich dachte. Und geschickter obendrein.« Magdalena nahm ihr das wertvolle Stück aus der Hand und betrachtete es. Wie bei einem Gecken wie Hagen Seume nicht anders zu erwarten, handelte es sich um ein äußerst kostspielig verarbeitetes Stück. Rubinrot funkelte ein runder Stein in der Mitte der reichverzierten Dose. Beim Aufschnappen des Deckels wurde ein Futteral aus dunkelrotem Samt sichtbar. Auf der Innenseite des Deckels fanden sich Seumes ineinander verschlungene Initialen. Die Reste grober Tabakbrösel verströmten einen süßlichen Geruch.
»Vermute ich also richtig, dass deine liebe Cousine das gute Stück mit Absicht bei uns versteckt?« Von unten herauf blinzelte Roswitha sie an.
»Wo war es?«, fragte Magdalena.
»In deinem Korb mit den getrockneten Salbeiblättern. War nicht schwer, darauf zu stoßen, aber dennoch nicht zu auffällig, dass einer Verdacht schöpfen könnte, es läge nicht ganz zufällig dort.«
»Könnt ihr mir mal erklären, wovon ihr da redet? Wessen Tabakdose ist das, und wieso sollte Elsbeth die in unserem Wagen verstecken?« Rupprecht war bemüht um einen strengen Ton.
»Bevor wir hier lange herumschwadronieren, bringe ich das Ding lieber in Sicherheit. Falls ihr es vergessen habt: Gleich taucht Seume mit seinem Gefolge auf«, krächzte Roswitha. »Bin schon sehr gespannt, wie Elsbeth es anstellen will, zum richtigen Zeitpunkt dazuzustoßen.
Weitere Kostenlose Bücher