Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
gingen zwischen dem Vieh umher. Ein Junge mit einem langen Stock in der Hand hielt die Schafe beieinander, ein Hündchen lief zwischen den Kühen umher und bellte solche Tiere, die sich stoßen wollten, zornig an. Der Bauer spannte ein Pferd vor einen Karren und belud ihn mit Butterkübeln, Käseformen und allerlei Lebensmitteln. Fröhliches Lachen und Singen ertönte, und das Vieh war so vergnügt, wie wenn heute ein besonderer Festtag wäre.
Bald darauf waren alle miteinander auf dem Wege nach dem Walde. Eine von den Mägden ging an der Spitze und lockte das Vieh mit schönen Jodlern. Hinter ihr kam der Zug in einer langen Reihe. Der Hirtenjunge und der Hirtenhund liefen hin und her und gaben wohl acht, daß keines der Tiere vom Wege abwich. Ganz hinten kamen der Bauer und sein Knecht. Sie gingen neben dem Karren, um ihn vor dem Umstürzen zu bewahren, denn es ging einen gar schmalen, steinigen Waldpfad hinauf.
Entweder ist es in Hälsingeland Sitte, daß die Bauern ihr Vieh an ein und demselben Tage in die Wälder schicken, oder es traf sich in diesem Jahre zufälligerweise so. Soviel ist sicher, Nils Holgersson sah solche fröhlichen Züge von Menschen und Vieh aus jedem Tal und jedem Hof nach dem öden Walde hinaufziehen und diesen mit Leben erfüllen. Aus den dunkeln Wäldern heraus hörte er den ganzen Tag das Jodeln der Sennerinnen und das Läuten der Kuhglocken. Die meisten hatten einen langen beschwerlichen Weg vor sich, und der Junge sah, wie sie mit großer Mühe über sumpfige Moore hinzogen und,um einen Windbruch zu vermeiden, oft große Umwege machen mußten. Die Karren stießen oft gegen Steinblöcke und stürzten um; aber die Männer überwanden alle Schwierigkeiten mit fröhlichem Lachen und unverwüstlicher Laune.
Im Lauf des Nachmittags gelangten die Wanderer auf ausgerodete Plätze, wo ein niedriger Kuhstall und einige kleine graue Hütten standen. Als die Kühe den Platz zwischen den Hütten erreicht hatten, brüllten sie vergnügt, als erkennten sie den Ort wieder, und fraßen sogleich von dem grünen saftigen Gras. Unter Scherzen und lustigen Reden holten die Leute Wasser und Brennholz herbei, und was auf dem Karren war, wurde in die größte der Hütten hineingetragen. Bald stieg der Rauch aus dem Schornstein auf, dann setzten sich die Sennerinnen, der Hirtenjunge und die Männer draußen im Freien um einen flachen Stein, der als Tisch diente, und hielten ihre Mahlzeit.
Der Adler Gorgo war fest überzeugt, daß er Klement Larsson unter diesen Leuten, die auf dem Wege in den Wald waren, finden würde. Sobald er einen Viehzug entdeckte, ließ er sich hinabsinken und untersuchte ihn mit seinem scharfen Auge. Aber eine Stunde um die andre verging, und noch immer hatte er Klement nicht gefunden.
Nachdem er sehr oft hin und her geflogen war, erreichte der Adler gegen Abend eine bergige, einsame, östlich von dem großen Haupttal gelegene Gegend. Wieder sah er eine Sennhütte unter sich; die Leute und das Vieh waren schon angekommen, die Männer spalteten Brennholz, und die Mägde melkten die Kühe.
„Sieh dort!“ rief Gorgo. „Ich glaube, jetzt haben wir ihn!“
Er ließ sich hinuntersinken, und zu seiner großen Verwunderung sah Nils Holgersson, daß Gorgo recht hatte. Da stand wirklich der kleine Klement Larsson und machte Brennholz klein.
Gorgo ließ sich eine kurze Strecke von der Sennhütte entfernt im Walde nieder.
„Nun habe ich ausgeführt, was ich übernommen hatte,“ sagte er und warf den Kopf stolz zurück. „Jetzt mußt du sehen, daß du mit dem Manne sprichst. Ich werde mich inzwischen auf jenen dichten Tannenwipfel dort setzen und auf dich warten.“
Die Neujahrsnacht der Tiere
Auf der Almhütte war die Arbeit zu Ende und das Abendbrot gegessen, aber die Leute saßen noch beieinander und plauderten. Es war lange her, seit sie zum letztenmal in einer schönen Sommernacht im Walde gewesen waren, und alle hatten das Gefühl, als hätten sie gar keine Zeit zum Schlafen. Es war noch taghell ringsum, und die Sennerinnen waren eifrig mit ihrer Handarbeit beschäftigt, bisweilen aber hoben sie den Kopf, schauten in den Wald hinein und lächelten leise vor sich hin.
„Ja, nun sind wir wieder hier oben,“ sagten sie; und damit versank das Dorf mit all seiner Unruhe aus ihrer Erinnerung, und der Wald umschloß sie mit seinem stillen Frieden. Wenn sie daheim auf ihren Höfen daran dachten, daß sie den ganzen Sommer hindurch allein da droben im Walde sein müßten, konnten
Weitere Kostenlose Bücher