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Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Titel: Die wunderbare Welt der Rosie Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
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Angesicht zu Angesicht mit The Grateful Dead auf seinem verblichenen Vintage-T-Shirt landete.
    »Hey, nicht so stürmisch«, grinste er und zerzauste mir mit der freien Hand das Haar, bevor er flink zurücksprang und sich in Sicherheit brachte – den Schlüssel noch immer in unerreichbare Höhen gehoben. Eine der vielen Sachen, die mich daran stören, nur einen Meter vierundsechzig zu sein, ist, dass Leute wie Ed (unverschämte einssiebenundachtzig) immer die Oberhand haben. In diesem Falle wortwörtlich.

    Nach viel vergeblichem Herumgespringe und dem Fehlschlagen weiterer Taktiken wie Flehen, Drohen, Kitzeln (was ziemlich lustig war, denn Ed kichert wie ein Troll, wenn man ihn kitzelt) griff ich zur allerletzten Chance aller zu kurz Gekommenen: Mit aller Kraft trat ich Ed auf den Fuß. Damit hatte er nicht gerechnet und klappte wie ein Taschenmesser zusammen. Geschickt fing ich den Schlüssel auf, als er ihm aus der Hand fiel. Nicht fair, funktioniert aber jedes Mal.
    »Lieber klein und zackig als groß und dappig«, krakeelte ich, eilte im Siegestaumel zur Kasse zurück und machte mich an die Arbeit.
    »Das war so was von unfair!«, beschwerte sich Ed und hielt sich seinen malträtierten Fuß.
    »Tut mir leid. Geht es wieder?«
    »Geht schon«, meinte er achselzuckend.
    Ich ließ ihn eine Weile schmoren, aber nachdem ich fertig war, fand ich es an der Zeit, Ed von seinem Leid zu erlösen. Ich griff nach seiner Hand, zog ihn mit zum Sofa, und wir setzten uns.
    »Okay, Mister – du willst Details? Ich gebe dir Details.«
    Ed tat so, als sei er längst nicht mehr interessiert, aber seine vor Neugier funkelnden Augen verrieten ihn mal wieder.
    »In Anbetracht deines heimtückischen Angriffs ist es das Mindeste, was du tun kannst«, meinte er gönnerhaft.
    Ehrlich gesagt konnte ich ihm gar nicht viel erzählen. Ich hatte keine Ahnung, warum Nate heute vorbeigekommen war. Und eigentlich wusste ich noch immer herzlich wenig über ihn. Aber ich hatte immerhin gemerkt, dass seine Persönlichkeit weitaus vielschichtiger war, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Und das fand ich … spannend . Als ich Ed das zu erklären versuchte, lächelte er nur. Und weil ich kein besseres Bild für mein Bauchgefühl
fand, verglich ich Nate mit einem Eisberg. Womit ich wiederum bei meiner geheimen Theorie über Ed angelangt war.
    »Er ist eigentlich wie du«, fügte ich ohne groß nachzudenken hinzu.
    »Du hältst mich für einen Eisberg?«, fragte Ed irritiert.
    »Ähm, ja … also jetzt im positiven Sinne«, beeilte ich mich zu sagen.
    Ed fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar und schaute mich nur noch irritierter an. »Was soll an einem Eisberg denn gut sein?«
    Okay, da brachte er mich jetzt ein bisschen in Verlegenheit, aber ich versuchte tapfer, eine annehmbare Erklärung zu liefern.
    »Na ja … in dem Sinne, dass da unter der Oberfläche noch viel mehr zu entdecken ist, als man auf den ersten Blick vermuten würde. So gesehen bist du ein guter Eisberg … also jetzt verglichen mit einem schlechten Eisberg im Sinne von schlechte Nachrichten für die Titanic . Weißt du, was ich meine?«
    Ed verzog keine Miene. »Ein Eisberg …«, murmelte er, als hätte er gerade eine schlimme Diagnose mitgeteilt bekommen oder als ließen sich aus meiner Bemerkung noch ganz andere abgründige Interpretationen ableiten.
    Ich neigte den Kopf zur Seite, schaute Ed vorsichtig an und legte ihm die Hand aufs Knie. »Vertrau mir, es ist etwas Gutes. Ich finde dich … auch spannend.«
    Wider Willen musste Ed lachen. »Du klingst wie Celia Johnson in Begegnung .« Er nahm den Tonfall englischer Filmschauspieler der Vierzigerjahre an. »Findest du mich wirklich so unglaublich faszinierend , Darling?«
    »Und du kannst so ein unglaublicher Idiot sein«, meinte ich und lächelte.

    »Hey, aber vergiss nicht, dass das nur das oberste Zehntel von mir ist! Stell dir erst mal vor, wie schlimm die verborgenen neun Zehntel sein müssen.«
    Ich gab ihm einen Klaps aufs Knie und ließ meinen Blick durch den Laden schweifen. Wie ruhig und friedlich es hier war, wenn das »Geschlossen«-Schild an der Tür hing. Draußen pulsierte das New Yorker Leben, der Feierabendverkehr kroch im Schneckentempo die Columbus Avenue hinauf, eine bunte Prozession, die in frustrierender Langsamkeit an unserem Fenster vorbeizog.
    »Bin ich froh, dass ich da heute nicht drinstecke.«
    »Stimmt, die U-Bahn ist eine geniale Erfindung«, fand Ed. »Nate also, was? Den

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