Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
werden wir dann wahrscheinlich noch öfter sehen?«
Ich holte tief Luft und schaute ihm in die Augen. »Weißt du was? Ich glaube schon.«
Und da saßen wir: meine Hand noch immer auf Eds Knie, sein Arm über der Sofalehne, so dass er ganz leicht meine Schulter berührte. Er lächelte, doch seine Augen wirkten seltsam ernst, als er meinen Blick erwiderte. Auf der Columbus veranstalteten genervte Taxifahrer ein Hupkonzert, und die große Uhr hinter dem Ladentisch tat jede Sekunde, die verstrich, mit einem lauten, andächtigen Ticken kund. Gerade als ich anfing, mich unbehaglich zu fühlen, sagte Ed etwas. Und er sagte keineswegs das, was ich erwartet hatte.
»Ich kann heute Abend die Lieferung ausfahren, Rosie.«
»Oh.« Von diesem plötzlichen Stimmungswechsel etwas aus dem Konzept gebracht, stammelte ich: »Ähm, ja … gut. Wenn es dir nichts ausmacht.« Ich wurde aus seinem Blick nicht schlau. »Es macht dir doch nichts aus?«, fragte ich nach.
»Nein, kein Problem.« Er sprang auf und eilte nach hinten.
Als er zurückkam, trug er die beiden Sträuße, die heute Abend noch ausgeliefert werden sollten, in den Armen.
»Hast du die Papiere?«, fragte er mich. Sein Lächeln war so strahlend wie immer, aber der Ton passte irgendwie nicht.
Ich holte die Auftragspapiere unter dem Ladentisch hervor. Ed dankte mir, und ich machte hinter uns das Licht aus, als ich ihm nach draußen in die lärmende Betriebsamkeit der Stadt folgte. An der Tür hielt ich ihn zurück. »Ed … ist alles okay?«
Ed beugte sich vor und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Alles okay, Rosie. Mach dir keine Sorgen. Wir sehen uns morgen.« Lächelnd drehte er sich um und ging schnellen Schrittes davon.
Da fiel mir noch was ein. »Ed!«, rief ich ihm hinterher.
Er wirbelte herum. »Yeah?«
»Mach dir einen schönen Abend mit Yelena.«
Wortlos hob er die Hand, drehte sich wieder um und ging weiter.
Ich sah ihm nach, bis er um die Ecke des nächsten Blocks verschwunden war. Mein Unbehagen kehrte zurück und ballte sich in meinem Bauch zusammen. Schließlich ließ ich das Metallgitter herunter, schloss es ab und machte mich langsam auf den Heimweg.
New York rauschte so bunt, laut und hektisch an mir vorbei wie immer, aber als ich an den vertrauten Häusern entlang durch die vertrauten Straßen lief, bekam ich kaum etwas davon mit. Fragen prasselten auf mich ein, flatterten wie Schmetterlinge in mir herum. Nate, Ed, Marnies Liebesleben, Mimi und Caitlin Sutton, und dann noch Brents Bemerkung über »gewisse Journalisten« – wie Puzzleteile, die nicht zusammenpassen wollten, wirbelte all das in wildem Durcheinander durch meinen Kopf.
Ich war nur noch zwei Blocks von meiner Straße entfernt, als ich eine vertraute Stimme hörte.
»Da steckst du also, Schwesterherz!« James tauchte neben mir auf, etwas außer Atem und erhitzt, aber glücklich. »Was dagegen, wenn ich dich nach Hause begleite?« Er hielt eine braune Papiertüte hoch. »Ich habe eben bei Dean & DeLuca für deinen Vorratsschrank eingekauft.«
»Wenn das so ist, darfst du gerne mitkommen«, lachte ich und war auf einmal froh, dass er mir Gesellschaft leistete und mich auf andere Gedanken brachte.
9
Ich erinnere mich noch daran, wie ich mit Mum die Sechs-Uhr-Nachrichten schaute, als ich ungefähr acht Jahre alt war. In meiner Kindheit gab es bestimmte Dinge, die wir immer zusammen machten – abends Nachrichten zu schauen gehörte dazu. Mum mochte die »überdrehten Moderatoren-Journalisten« auf ITV nicht, weshalb ich mit den Nachrichtensprechern »der guten alten BBC« mit ihren seriösen Mienen und der makellosen Aussprache aufgewachsen war.
Einer dieser Abende ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben, weil ein eher ungewöhnliches Ereignis die Nachrichten bestimmte: Drei britische Geiseln waren in Beirut freigekommen. Ich erinnere mich noch daran, wie Mum mir erklärte, dass die drei abgemagerten, furchtbar erschöpft aussehenden Männer mit den wild wuchernden Bärten fünf Jahre als vermisst gegolten hatten. Einen von ihnen sahen wir auf der Pressekonferenz sprechen. Er lächelte, als er der Welt erzählte, dass er und seine beiden Leidensgenossen es nie für möglich gehalten hätten, dass dieser Tag einmal kommen werde. Ich weiß noch, dass ich zu meiner Mutter sagte, wie glücklich er aussehe und wie sehr er sich darüber freue, endlich frei zu sein.
»Sein Gesicht mag glücklich aussehen – seine Augen nicht«, hatte Mum erwidert. »Schau dir
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