Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
bis sie den Artikel gefunden hatte, und las mir stolz die Überschrift vor: »›Englische Rose blüht im Herzen von Manhattan‹ – was sagst du dazu?«
Das Foto war gut geworden (und das, obwohl ich total unfotogen bin), und Joshs Artikel war so ausgezeichnet, dass ich ihm sogar die Überschrift verzieh. Zu meiner Erleichterung hatte er sein Augenmerk mehr auf Kowalski’s als auf mich gerichtet und schwärmte in den höchsten Tönen von der »authentischen Atmosphäre« meines Ladens.
»Eine Atmosphäre, die einem gewissen gefühlsverwirrten und Seneca ergebenen Lektor ganz besonders gut zu bekommen scheint«, bemerkte Celia mit dem Feingefühl eines Vorschlaghammers. »Er will jetzt also regelmäßig vorbeikommen? «
Ich lächelte. »Das hat er zumindest gesagt.«
»Und es macht dir nichts aus?«
»Nein, überhaupt nicht«, meinte ich achselzuckend. »Ich finde ihn nett.«
Celia nahm sich einen Keks und blätterte in der Zeitung. »Oh, das freut mich«, meinte sie betont beiläufig. »Das freut mich sehr …«
11
Nate kam nun tatsächlich regelmäßig vorbei. Und seit der Herbst Manhattan fest in seinem farbenfrohen Griff hatte, stattete er meinem Laden praktisch jede Woche einen Besuch ab – meistens am Donnerstagnachmittag, wenn er sich unbemerkt aus dem Büro fortstehlen konnte –, und unsere Freundschaft schien mit jedem Gespräch prächtiger zu gedeihen. Ich mochte Nate. Ich mochte ihn wirklich. Mir gefiel seine unbeschwerte Art, mit der er so mühelos durchs Leben kam, und mir gefiel der Respekt, den er vor mir und meinem Beruf hatte. Nichts schien ihm besser zu gefallen, als sich bei Kowalski’s einen Becher von Old Faithfuls Bestem zu gönnen und mir und meinem Team bei der Arbeit auf die Finger zu schauen. Im Laufe der Wochen ertappte ich mich immer öfter dabei, dass ich mich auf seine Besuche schon Tage vorher freute. Es versprach der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zu werden: die unverbesserliche Optimistin und der (zugegebenermaßen glückliche) Pessimist, die sich bei Kowalski’s, Ecke West 68th und Columbus, inmitten von Blumen bei einer guten Tasse Kaffee über Gott und die Welt unterhielten.
Eines Donnerstags Mitte Oktober kündigte das Bimmeln des kleinen Glöckchens über der Tür schon kurz nach der Mittagszeit Nates Besuch an. Nach zwei Monaten hatte sein plötzliches Auftauchen immerhin nicht mehr ganz so verheerende Auswirkungen auf meinen Pulsschlag wie noch am Anfang.
»Das ist aber eine Überraschung«, meinte ich, während ich einen großen Strauß gemischter Blumen einwickelte, der von Mrs Katzinger bereits ungeduldig erwartet wurde. Mrs Katzinger war Mitglied der episkopalischen Gemeinde und besorgte jede Woche Blumen für die Kirche, die zwei Blocks südlich von Kowalski’s lag. »Und ich dachte, in der Verlagsbranche würde einem nichts geschenkt?«
»So ist es«, grinste Nate, und seine schokoladenbraunen Augen funkelten so übermütig wie die eines kleinen Jungen, der die Schule schwänzt. »Deshalb sollte man auch beizeiten kleine Fluchten einplanen. Heute beispielsweise – nur falls es dich interessiert – bist du ein pensionierter Geschichtsprofessor, den ich gern unter Vertrag nehmen würde. Du hast mir nämlich ein äußerst faszinierendes Manuskript über englische Industrielle des späten achtzehnten Jahrhunderts zugeschickt, von dem ich kaum noch die Finger lassen konnte.«
Ich überhörte die zweideutige Bemerkung geflissentlich und gab mich betont gelassen. Mrs Katzinger jedoch hob sichtlich amüsiert die Brauen und zwinkerte mir verschwörerisch zu.
»Nun, werter Lektor meines Vertrauens, leider muss ich Ihr großzügiges Angebot ausschlagen«, entgegnete ich und lächelte Nate zu. Unser kleines Geplänkel ließ meine Haut vor Glück prickeln. »Ein Professor meines Kalibers ist schließlich nicht käuflich . Aber es hat mich gefreut, junger Mann, dass Sie Zeit für mich hatten. So, wäre das alles, Mrs Katzinger?«
»Ja, doch … ich denke schon«, erwiderte sie ungewohnt zögerlich, und ich sah ihr an, dass ihre Fantasie auf Hochtouren lief.
Am liebsten wäre sie wohl noch geblieben, aber Mrs Katzinger ist eine der Frauen, die immer so viel zu tun haben, stets etwas gehetzt wirken und am liebsten überall gleichzeitig wären. Marnie vermutet, dass für sie sogar Schlafen Stress ist. In dieser Hinsicht ist sie sehr New York – und auf diese Eigenart war ich ganz und gar nicht vorbereitet, als ich hierherkam. In England ist man einfach
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