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Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Titel: Die wunderbare Welt der Rosie Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
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inneren Widerstreit spüren, zog er mich an sich, und ich spürte seinen Puls auf meiner Haut, als ich meine Wange an seinen Hals schmiegte. Als er sprach, hallte seine tiefe samtene Stimme in mir wider.
    »Rosie, was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht? Habe ich dich verletzt?« Bei jeder Frage spürte ich seinen
Atem warm in meinem Haar. Ich legte meine Hand auf seinen Rücken und spürte die festen Muskeln unter meinen Fingern – und ich spürte die Gefahr, mich im Aufruhr meiner widerstreitenden Gefühle und Empfindungen zu verlieren. Es war Zeit zu gehen.
    »Nein, Nate, du hast nichts falsch gemacht … es ist alles in Ordnung.« Ich wich zurück. »Aber ich muss jetzt wirklich los. Wir sehen uns am Donnerstag.«
    Nate stand reglos da, den Blick unverwandt auf mich gerichtet, als die Fahrstuhltüren sich hinter mir schlossen. Endlich allein, ließ ich mich gegen die Wand sinken und begann zu schluchzen, als ich lautlos nach unten schwebte.
     
    »Früher oder später wirst du wieder auf die Dinge treffen, die du am meisten fürchtest.«
    Als Mr Kowalski das eines Tages zu mir gesagt hatte – nicht lange nachdem ich bei ihm angefangen hatte –, hatte ich ihm widersprochen. Man könne seinen Ängsten immer entkommen, hatte ich behauptet. Eigentlich sei es doch fast wie ein Spiel – je besser man seine Ängste kenne und wisse, wann und wo sie auf einen lauerten, desto besser könne man ihnen ein Schnippchen schlagen und ihnen aus dem Weg gehen.
    Mr Kowalski hatte nur betrübt den Kopf geschüttelt, und ich erinnere mich an den Schmerz in seinen Augen, als er sprach. » Ukochana , dein Leben wird der Angst in die Falle gehen – so wie die Fallen, mit denen meine Mutter Kaninchen gefangen hat. Wenn du die Angst nicht loswirst, wird sie dich festhalten, und je mehr du dich wehrst und versuchst, dich zu befreien, desto fester hat sie dich im Griff. Es hilft dir überhaupt nichts, die Falle zu ›verstehen‹ oder sie zu ›kennen‹ – das ist der Falle egal. Sie ist da, sie lauert dir auf, und sie wird dich vernichten, wenn du dich
nicht von ihr befreien kannst. Du musst kämpfen und die Falle vernichten, wenn du leben willst.«
    Damals schon hatten seine Worte mich ein wenig beunruhigt. Und nun, wo sie sich zu bewahrheiten schienen, hätte ich alles dafür gegeben, mit ihm reden zu können. Ich hatte Mr Kowalski nie erzählt, weswegen ich nach New York gekommen war – doch nun, wo ich mit ihm darüber reden wollte, war er nicht mehr da.
    Völlig aufgelöst verließ ich das Verlagsgebäude. Meine Schritte schienen wie von selbst immer schneller zu werden. Ich merkte, dass ich in die falsche Richtung lief, aber ich konnte meine Füße nicht zur Umkehr bewegen. Ich wollte weg, aber wohin? Nicht zu Kowalski’s, so viel stand fest. Nicht jetzt. Noch nicht. Ed würde mir helfen wollen, aber allein der Gedanke daran, ihm alles zu erzählen, war mir absolut unerträglich – und wenn ich ihm erklären wollte, warum ich so aufgelöst war, würde ich ihm alles erzählen müssen. Nach Hause konnte ich aber auch nicht: Undenkbar, jetzt mit dem lauten Stimmengewirr meiner widerstreitenden Gefühle allein zu sein.
    Ich lief weiter – rannte fast, aus Angst, dass David mir nachlaufen könnte – und wusste doch nicht, wohin. Straßen, Gerüche, Geräusche wurden mir immer fremder, je weiter ich lief. Irgendwann entdeckte ich durch den Tränenschleier ein Starbucks-Logo und lief erleichtert darauf zu.
    Die vertrauten Gerüche und Geräusche des Cafés legten sich wie eine schützende, wärmende Decke um meinen zitternden Körper. Ich bestellte einen Macchiato und suchte mir einen Tisch, der so weit wie möglich vom Fenster entfernt stand. Halb hinter einer großen Grünpflanze vor den Blicken der anderen Gäste verborgen, fühlte ich mich sicher. Mein Herz pochte noch immer laut in meinen Ohren. Ich schloss die Augen und versuchte tief durchzuatmen.

    Bilder von David und Nate schossen mir durch den Kopf, mal von tiefem Widerwillen, dann wieder von heftiger Sehnsucht begleitet. Wie ein Walzer wogten meine widerstreitenden Gefühle in mir auf und ab. David Lithgow war hier – in meiner Stadt. Wie konnte er es wagen? In seinem Gesicht hatte reine Freude, reiner Triumph darüber gestanden, mich gefunden zu haben … Ich schüttelte den Kopf, als mir bewusstwurde, worauf ich mich eingelassen hatte: Ich hatte den Auftrag angenommen und mich dazu verdammt, monatelang meiner größten Angst ins Gesicht zu sehen. Das war

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