Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Asket würde dann verbluten. Doch er erriet meine Gedanken und sagte leise: ‘Hab keine Angst, Sohn eines Königs, obwohl deine Tat schwer wiegt, hast du doch keine Todsünde begangen, denn ich gehöre nicht zum Stand der Brahmanen. Meine Mutter gehört zur Kaste der Shudra und mein Vater zu den Vaishyas.’
Er flüsterte die letzten Worte, so daß sie kaum zu verstehen waren. Sein Antlitz erbleichte, und als ich den Pfeil aus der Wunde zog, starb er. Ich bettete ihn auf ein weiches Lager aus Kushagras und eilte zur Hütte seiner Eltern. Der blinde Vater glaubte die Schritte seines Sohnes zu hören und erhob sich, als ich mich näherte. Ich sagte ihm, wer ich sei, und berichtete ihm weinend vom Tod seines edlen Sohnes. Der Vater brach in Wehklagen aus und sprach: ‘O Königssohn, hättest du mir nicht selbst von deiner bösen Tat erzählt, würde der Zorn der Götter dich auf der Stelle vernichtet haben. Du erhältst dir dein Leben einzig und allein, weil du aufrichtig zu uns armen Eltern warst und die Sünde ohne Absicht begingst. Führ mich mit meinem Weib jetzt zu der Stelle, wo du meinen Sohn getötet hast!’
Mein Schmerz war groß, als ich sah, wie der blinde Vater sich niederbeugte und mit den Fingern über den toten Leib seines Sohnes strich. Niemals vergesse ich seine Worte: ‘Mein geliebter Sohn, warum bist du so still und leblos? Wenn du böse auf mich bist, so sag mir, womit ich dich erzürnt habe.’
Nachdem er so gesprochen, erinnerte er sich, was geschehen. ‘O Yama, du Gott des Todes, nimm meinen unschuldigen Sohn, den dieser Sünder getötet, im Wohnsitz der Helden auf. Gib ihm deinen Segen, Yama, und befreie uns von Schmerz und Furcht. Auch wenn du niederer Herkunft bist, mein Sohn, wirst du durch das heilige Feuer zum Himmel aufsteigen, und dieser junge Königssohn, der dich getötet, wird ein elendes Ende nehmen!’
Dann sah ich, o Königin, wie die Eltern des Jünglings Holz sammelten und den toten Leib ihres geliebten Sohnes den Flammen übergaben. Ich aber verließ sie mit Kummer im Herzen. Die Zeit ließ mich den Fluch des Vaters vergessen, heute aber ist der Tag gekommen, wo ich für die böse Tat bestraft werde, die ich ohne Absicht in meiner Jugend beging.
Komm näher zu mir, meine Gemahlin, der Kummer um meinen geliebten Rama bricht mir das Herz. Meine Augen sind trübe, ich kann nichts mehr sehen, auch die Erinnerungen schwinden. Wo ist mein tugendhafter Rama, der Held der Wahrheit? Gesegnet seien alle, die das Antlitz meines Sohnes erblicken, wenn er einst nach Ayodhya zurückkehrt. O Rama, mir bricht das Herz, weil du fern von mir bist. O Kausalya, o tugendhafte Sumitra und auch du, grausame Kaikeyi, die das Glück meiner Familie zerstört. Ich scheide nun von euch!“
Überwältigt vom Leid, starb König Dasharatha in Gegenwart von Ramas Mutter Kausalya und der Königin Sumitra. {1}
Hier unterbrach die schöne Sita ihre Lektüre. Holkar hatte ihr gedankenversunken zugehört. Corcoran war tiefbewegt und betrachtete bewundernd das weiche und anmutige Antlitz des jungen Mädchens.
Währenddessen war es bereits Mitternacht geworden, und Holkar war im Begriff, seinen Gast zu entlassen, als Ali in den Hof trat und sich wortlos an seinen Herrn wandte, wobei er die Hände dachförmig zum Gruß vor den Lippen zusammenlegte.
„Was ist? Was willst du?“ fragte Holkar.
„Kann ich sprechen?“ fragte der Sklave, wobei er mit den Augen auf Corcoran wies.
Dieser wollte sich diskret zurückziehen, doch Holkar hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
„Bleiben Sie“, sagte er, „Sie stören keineswegs… Und du, sprich“, sagte er, an Ali gerichtet.
„Herr“, fuhr Ali fort, „soeben ist eine Nachricht von Tantia Topee eingetroffen.“
„Von Tantia Topee!“ rief Holkar, und seine Augen blitzten vor Freude. „Kommt er also doch.“
Ein Bote betrat den Hof. Es war ein halbnackter Fakir mit bronzefarbener Haut, dessen unbeweglicher Gesichtsausdruck weder Schmerz noch Freude zu kennen schien. Er warf sich vor Holkar nieder und wartete schweigend, daß dieser ihm den Befehl geben würde, sich zu erheben.
„Wer bist du?“ fragte Holkar.
„Ich heiße Sugriva.“
„Brahmane?“
„Brahmane. Tantia Topee schickt mich.“
„Welches ist das Zeichen deiner Mission?“
„Dies hier“, erwiderte der Fakir.
Dabei zog er aus seinem Lendenschurz, der ihm als einziges Kleidungsstück diente, eine Art bizarr geschnittenes Tuch, auf das einige Worte in Sanskrit gestickt
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