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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
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waren.
    Holkar schrie auf, nachdem er das Tuch einige Zeit aufmerksam gemustert hatte.
    „Der Augenblick ist gekommen“, sagte er.
    „Ja“, antwortete der Fakir. „Der Aufstand hat heute in Meerut begonnen.“
    „Kapitän“, sagte Holkar, „Sie haben mir anvertraut, daß Sie die Engländer nicht mögen.“
    „Nun, ich verabscheue sie nicht gerade“, entgegnete Corcoran, „aber ich mache mir auch keine großen Gedanken, was ihnen widerfahren könnte.“
    „Nun wohl, Kapitän! Es dauert nicht mehr lange, und Colonel Barclay wird mit seiner Armee umkehren.“
    „Wirklich?“ erwiderte Corcoran. „Und der Fakir hat Ihnen diese Neuigkeiten übermittelt?“
    „Ja“, antwortete Holkar. „Dieser Fakir ist ein verläßlicher Mann, der meinem Freund Tantia Topee als Bote dient.“
    „Und wer ist Euer Freund Tantia Topee?“
    „Das werde ich Ihnen morgen sagen. Colonel Barclay wird nicht vor drei Tagen hiersein; wir haben also noch zwei Tage Zeit. Wenn Sie wollen, werden wir morgen auf Rhinozerosjagd gehen. Das Rhinozeros ist ein königliches Wild, und in ganz Indien findet man heute nicht mehr als zweihundert Stück davon. Ein seltenes Vergnügen. Bis morgen, Kapitän.“
    „Übrigens“, warf Corcoran noch ein, bevor er den Innenhof verließ, „was habt Ihr eigentlich mit diesem Rao gemacht? Wollt Ihr ihn nicht aburteilen lassen?“
    „Rao!“ entgegnete Holkar. „Er wurde bereits abgeurteilt, Kapitän. Vor dem Abendessen hatte ich bereits den Befehl gegeben, ihn zu pfählen.“
    „Teufel noch eins!“ rief Corcoran aus. „Ihr habt es ja eilig, Fürst Holkar.“
    „Mein Freund“, erwiderte Holkar, „wie gefangen, so gehangen – das ist meine Maxime. Sie haben doch nicht etwa gedacht, daß ich hier einen Gerichtshof abhalte wie in Kalkutta? Bevor der Staatsanwalt die Anklage verlesen und der Verteidiger sein Plädoyer gehalten hätte, bevor ihn die Richter für schuldig befunden hätten, wären die Engländer vielleicht schon in Bhagavapur und würden das Leben dieses Schurken, ihres Komplizen, gerettet haben. Nein, nein, er wird gleich für alles bezahlen, er wird gepfählt.“
    „Ich frage nur aus Neugier danach“, sagte Corcoran und streckte sich, denn er verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis nach Schlaf. „Gute Nacht, Fürst Holkar.“
    Und Ali, der ihm den Weg wies, folgend, betrat er seine Schlafkammer.
     
     
6.
Eine unruhige Nacht
     
    Aber dem tüchtigen Kapitän war es nicht beschieden, in dieser Nacht Ruhe zu finden. Kaum hatte er sich auf seinem Bett ausgestreckt, als von draußen Lärm zu ihm drang. Corcoran richtete sich auf, stützte sich auf einen Ellenbogen, pfiff kurz nach Louison und flüsterte: „Achtung, Louison! Aufgepaßt!“
    Louison blickte den Kapitän aufmerksam an, spitzte die Ohren, wedelte leicht mit dem Schwanz, um anzuzeigen, daß sie den Befehl Corcorans verstanden habe, erhob sich geschmeidig, schritt direkt zur Zimmertür, lauschte und trottete seelenruhig zu Corcoran zurück, als wolle sie von ihm neue Befehle entgegennehmen.
    „Aha“, sagte dieser, „ich verstehe, meine Liebe. Du meinst, daß es keinen Anlaß zur Sorge gibt? Um so besser, denn ich möchte ein wenig schlafen. Und du?“
    Die Tigerin spitzte leicht ihre Lippen mit dem Schnurrbart, dessen Spitzen spitzer als eine Degenspitze (überspitzt gesagt) waren. Auf diese Art lächelte sie.
    Doch da vernahmen sie Schritte auf der Galerie, und Louison wandte sich wieder der Tür zu, aber es schien dennoch keine Gefahr im Anzug zu sein, denn ebenso rasch wandte sie sich wieder um und ließ sich zu Füßen ihres Herrn nieder. Jemand klopfte an die Tür.
    Corcoran erhob sich halb bekleidet, griff zu seinem Revolver und ging öffnen. Es war Ali, der gekommen war, um ihn zu wecken.
    „Herr“, sagte er mit einem bestürzten Ausdruck im Gesicht, „Fürst Holkar bittet Euch, zu ihm zu eilen. Es ist ein großes Unglück geschehen. Rao, von dem man glaubte, er wäre gepfählt worden, hat seine Wärter bestochen und ist mit ihnen geflohen!“
    „Na so was“, entgegnete Corcoran. „Scheint nicht auf den Kopf gefallen zu sein, dieser Rao.“
    Während ihm Ali in kurzen Worten den Vorfall schilderte, kleidete sich Corcoran an. „Seine Hoheit fürchtet vor allem“, sagte Ali, „daß er sich zu den Engländern durchschlagen wird, die vor der Stadt stehen. Sugriva ist bereits auf sie getroffen.“
    „Es ist gut. Zeig mir den Weg, ich komme.“
    Holkar saß auf einem herrlichen Perserteppich und

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