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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
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Morgen stürmisch wird, wenn die Nacht ruhig war“, bemerkte Corcoran, „und sage Holkar, er möge sich beeilen.“
    „Sugriva“, fügte die schöne Sita hinzu, „sag meinem Vater, daß sich seine Tochter unter dem Schutz des kühnsten und edelsten aller Männer befindet. Und Sie, Kapitän, schlafen Sie einen Augenblick, ich werde wachen.“
    Sugriva verneigte sich, legte die Fingerspitzen dachförmig als Gruß vor die Lippen und verschwand.
    Als beide allein zurückblieben, setzte sich Corcoran neben Holkars Tochter und sagte zu ihr:
    „Liebe Sita, ich werde mich stets an das Glück des heutigen Abends erinnern, so bei Ihnen sitzen zu dürfen…“
    „Kapitän“, antwortete die Prinzessin, „mir scheint, ich habe immer nur in den Tag hinein gelebt; mein ganzes vergangenes friedliches und süßes Leben kommt mir vor wie ein Traum gegenüber dem, was ich gestern gesehen und gefühlt habe.“
    „Und was haben Sie gefühlt?“ fragte der Bretone.
    „Ich weiß nicht“, antwortete sie unbefangen. „Ich hatte Angst. Ich hatte geglaubt, man wollte mich töten. Ich wollte mich selbst töten, um Rao zu entgehen; als ich Sie im englischen Lager traf, habe ich wieder gehofft, und ich war sicher, am Leben zu bleiben, als ich sah, mit welcher Kühnheit und Kaltblütigkeit Sie allen Gefahren trotzten.“
    Corcoran lächelte, als er diese offenherzigen Worte hörte.
    Was für ein charmantes Mädchen, dachte er, und wieviel angenehmer ist es doch, mit ihr die Nacht in einer Pagode zu verbringen und sich friedlich (trotz der Anwesenheit englischer Karabiner) über Brahma, Schiwa und Wischnu zu unterhalten, als stumpfsinnig hinter der Handschrift von Manu, dem klügsten aller Inder, herzujagen, die der Akademie zu Lyon noch zu ihrem Glück fehlt… Ach, es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als hübsche Prinzessinnen zu retten und das eigene Leben für sie hinzugeben.
    Während dieser Gedanken übermannte ihn der Schlaf. Sita wachte über ihn. Außerdem schien die Gefahr nicht mehr ganz so groß, da sich auch die Engländer zur Ruhe begeben hatten. Und schließlich wachte ja Louison, und wenn sie auch schlief, dann nur mit einem Auge wie die Katzen; das andere Auge war halb offen und registrierte die kleinste Bewegung in der Finsternis. Und selbst wenn sich ihre Augen dem Schlaf hingaben, so hörten doch ihre Ohren den leisesten Laut.
     
     
12.
Gebt mir diesen Engländer. Was willst du mit ihm machen? Ihn hängen. Aber gern
     
    Während im Innern der Pagode und auch außerhalb von ihr alles schlief – ausgenommen Louison und zwei englische Wachtposten, denn auch Sita hatte der Schlaf übermannt –, war Sugriva dem unterirdischen Gang gefolgt und bis an das Gitter gekommen. Aber dort konnte er kein Schloß entdecken. Vergeblich versuchte er das Gitter zu entfernen. Nachdem er einige Zeit im Dunkeln herumgetappt war, stieß er zufällig mit dem Fuß an eine kleine Figur ohne Hände und Füße, die Brahma darstellen sollte, der das Universum auf seinen Schultern trug. Er bewegte die Figur hin und her, drehte sie schließlich einmal knirschend um sich selbst, und das Gitter öffnete sich. Sugriva schloß das Gitter wieder, glitt durch das Gestrüpp des über ihm wuchernden Dschungels und war innerhalb weniger Sekunden verschwunden. Er hatte einen Plan. Vorsichtig umschlich er das Lager der Engländer, die friedlich schlummerten und der Aufmerksamkeit ihrer beiden Wachtposten vertrauten. Als er wie eine Schlange durch das hohe Gras glitt, wurde er von einem der indischen Kulis wahrgenommen, der sofort Alarm schlagen wollte. Aber Sugriva machte ihm mit zwei erhobenen Fingern der rechten Hand ein geheimes Zeichen. Daraufhin schwieg der andere.
    Sugriva suchte zwei Dinge: ein Pferd, um seine Botschaft zu überbringen, und John Robarts, um ihm den Hals umzudrehen. Zu seinem Glück schlief dieser ehrenwerte Gentleman zufällig direkt neben dem nach und nach verlöschenden Feuer inmitten von zehn oder zwölf seiner Leute, deren Arme und Beine auf das kunstvollste ineinander verschlungen waren.
    Sugriva hatte das Leben seines Feindes in der Hand; aber wenn er ihn tötete, würde die ganze Truppe wach werden, und seine Mission wäre mißlungen. Er mußte sich also wohl oder übel mit Geduld wappnen und einen günstigeren Augenblick abwarten, da ihm John Robarts wieder über den Weg laufen würde.
    Dann wählte er mit Bedacht eines der Pferde aus, deren Vorderläufe gefesselt waren, pflockte es los, warf ihm Zügel und Zaumzeug

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