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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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denn der Geruch von getrocknetem Blut nahm ihr beinahe den Atem.
    Endlich hatte sie das schattige Waldstück erreicht. Aufatmend lehnte sie sich an einen Baum und tupfte sich mit einem Tuch den Nacken und die Stirn trocken. Dann sah sie sich um. Der Trampelpfad wurde schmaler, doch Priska war oft genug in den Wäldern und Auen um Leipzig herum unterwegs gewesen, um auch die verschwiegensten Pfade zu finden. Sie bog die Zweige einiger Sträucher zurück, stieg über Baumstämme, zerkratzte sich das Gesicht an einem Dornengestrüpp und gelangte schließlich zu einer kleinen Lichtung, an deren Rand sich eine klapprige und sichtbar unbenutzte Jagdhütte befand. Priska blieb stehen. Was soll ich ihr sagen?, fragte sie sich. Soll ich sie zurückbringen? Oder ist es besser, sie das zu Ende führen zu lassen, was sie sich vorgenommen hat? Sie kam zu keinem Ergebnis. Ich muss hören, was sie selbst sagt, beschloss sie und ging mit zögerlichen Schritten auf die Jagdhütte zu, klopfte an die Tür.
    Von drinnen kam kein Laut, und doch war sich Priska ganz sicher, dass Eva da war. Noch einmal klopfte sie, dann öffnete sie die Tür.
    Eva saß mit angezogenen Knien auf einer Holzbank, die an der Wand stand, und starrte aus dem Fenster in den Wald.
    «Grüß dich Gott, Schwägerin», sagte Priska. «Darf ich mich setzen?»
    Eva nickte, doch sie hielt den Blick weiter auf die Bäume gerichtet. Sie schwieg, und auch Priska wusste nichts zu sagen. Erst nach einer Weile fragte sie leise: «Was willst du hier, Eva? So ganz allein im Wald. Komm mit mir nach Hause. Du brauchst Ruhe.»
    Eva schüttelte den Kopf.
    «Warum willst du nicht mit mir kommen?»
    Leise, unhörbar fast, erwiderte Eva: «Ich habe kein Zuhause mehr. Es ist vollkommen gleichgültig, wo ich bin. Ein Ort ist so gut wie der andere.»
    «Das stimmt nicht, Eva. Johann vermisst dich sehr. Er ist vor Angst um dich fast wahnsinnig.»
    Eva zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    «Auch Adam und ich brauchen dich.»
    Eva drehte den Kopf und sah Priska an. «Niemand vermisst mich. Niemand braucht mich. Und auch ich vermisse niemanden außer Aurel.»
    «Was willst du hier, Eva?»
    «Ich möchte den Mann kennen lernen, der meinen Sohn getötet hat. Ich möchte ihm in die Augen sehen, auf den Grund seiner verdammten Seele blicken. Verstehen möchte ich, warum mein Kind sterben musste.»
    «Willst du ihn töten?», fragte Priska.
    Eva hob die Schultern und senkte sie wieder. «Tot oder lebendig, was macht das für einen Unterschied? Ist es nicht ohnehin besser, tot zu sein? Das Himmelreich. Ich stelle es mir vor wie die Auen im Frühling. Überall duftet es nach Blumen. Die Menschen dort haben niemals Hunger oder Durst. Sie frieren auch nicht oder sehnen den Schlaf herbei. Und sie leiden nicht. Keiner kann ihnen etwas antun, niemand sie verletzten, ihnen das Liebste rauben.»
    Sie sah Priska nun direkt an. «Ich sehne mich nach dem Tod. Schon sehr lange. Eigentlich, seit David mich töten wollte. Schon damals habe ich mich nicht gegen den Tod gewehrt. Ich hätte ihn angenommen, Priska. Ohne Klagen. Aber es sollte nicht sein. Aurel kam wie ein Geschenk über mich. Für ihn habe ich gelebt. Jetzt ist auch er tot. Was also soll ich noch hier auf dieser Erde? Nur in die Augen des Mörders möchte ich schauen. Das ist alles, was ich noch begehre.»
    Sie legte ganz langsam den Kopf in den Nacken, und Priska sah die Tränen in ihren Augen wie Tautropfen glitzern.
    «Das Leben ist zu schwer für mich, Priska. Ich habe alles falsch gemacht. Und jetzt gibt es kein Leben mehr. Du hast es gut, Priska. Du hast wenig gefragt, sondern einfach gemacht. Die Leute lieben dich, die Frauen lieben dich. Du hast eine Aufgabe, hast ein Leben, um das ich dich beneiden würde, wäre ich dazu noch fähig. Du bist stark, Priska. Ich dagegen bin schwach.»
    Schon wieder sagte ihr Eva, dass sie stark sei, aber Priska glaubte es auch dieses Mal nicht. Sie fühlte sich so hilflos bei Evas Anblick, doch das Schlimmste war, dass sie Eva verstand.
    «Ja», sagte sie. «Das Leben ist schwer. Für manche zu schwer.»
    Sie hätte der Schwägerin gern Trost zugesprochen, doch es gab nichts, was sie ihr sagen konnte. Eva hatte alles verloren.
    Obwohl – einen gab es doch noch: «Hast du nie daran gedacht, mit Johann zusammenzuleben? Als seine Haushälterin vielleicht? Damit ihr zusammen sein könnt. Du liebst ihn doch, oder?», fragte Priska.
    «Ich weiß nicht, ob ich Johann liebe. Er war einfach da, als ich ihn

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