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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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vorzuführen, wie gut du es doch hast. Gekommen bist du, um heute Abend getröstet in deine weichen Daunen zu sinken.»
    «Trost? Ich brauche keinen Trost.»
    «Oh, doch, das brauchst du. Und sogar mehr als ich. Wenn ich auch nie mit der Kutsche fahren werde und mein Haar nicht mehr glänzt, so bin ich doch reicher als du, denn ich werde ein Kind haben. Du aber wirst dich deiner Haube mit jedem Tag mehr schämen.»
    Regina lehnte sich zurück und legte die Hand auf ihren Leib. Jetzt erst sah Priska die Wölbung. «Du bekommst ein Kind?», fragte sie und konnte nicht verhindern, dass etwas in ihr zu brennen begann.
    «Ja, ich werde ein Kind haben. In drei Monaten werde ich es zur Taufe tragen. Du wirst neben mir stehen, und die Leute werden dich mitleidig ansehen, mir aber werden sie gratulieren. Und auch ich werde Mitleid haben mit dir und bedauern, dass du nicht die Patin sein kannst. Aber eine, die Gott mit Kinderlosigkeit straft, möchte ich nicht zur Gevatterin haben.»
    Priska schüttelte den Kopf und betrachtete Reginas Leib. «Warum wünschst du mir Übles?», fragte sie.
    «Ich wünsche dir nichts Schlechtes. Gott ist mein Zeuge. Aber dein Leben ist schlecht. Nicht gottgefällig. Du lebst mit einem in trügerischer Ehe zusammen. Das ist nicht recht.»
    Sie beugte sich nach vorn und griff nach Priskas Hand. «Geh fort von ihm, Priska. Johann von Schleußig wird an den Papst schreiben, um die Ehe aufzulösen, wenn du es willst. Geh! Vielleicht findest du irgendwo ein Auskommen als Magd.»
    Priska schüttelte den Kopf. «Ich weiß nicht, wovon du redest, Schwester. Mein Mann und ich leben so, wie es die Schrift vorgibt. Johann von Schleußig wird keinen Grund finden, unsere Ehe als nicht gültig zu bewerten.»
    Mit diesen Worten stand Priska auf. Sie warf den Kopf in den Nacken und sah sich noch einmal in der schmalen Stube um, die für zwei fast schon zu klein war.
    «Wo wird es schlafen, dein Kind?», fragte sie und deutete mit dem Finger auf einen Zuber, der in einer Eckestand. «Dort drinnen etwa? Für eine Wiege, scheint mir, gibt es weder Platz noch Geld.»
    Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das Haus der Schwester. Sie hörte nicht mehr, wie diese mit der Faust auf den Tisch schlug, die Augen zu schmalen Schlitzen verengte und dabei flüsterte: «Gott wird dich strafen, weil du dir genommen hast, was mir zusteht. Gott wird dich strafen. Und ich werde dafür sorgen, dass er es nicht vergisst.»
    Priska eilte mit hastigen Schritten die Gasse hinauf. Sie war aufgewühlt, führte in Gedanken Zwiegespräche mit Regina. Fast hätte sie darum den Nadelmacher übersehen, der sich ihr in den Weg stellte.
    «Wartet, Doktorsfrau», sprach er sie an. Priska blieb stehen.
    «Was gibt es?»
    «Meine Frau ist vor kurzem mit dem nackten Fuß in eine Harke getreten, die ich im Garten liegen gelassen hatte. Die Wunde hat sich entzündet, jetzt ist sie fast schwarz, und die Meine liegt da, spricht kein Wort mehr, sondern stöhnt nur.»
    «Habt Ihr nach dem Arzt geschickt?», fragte Priska.
    Der Nadelmacher schüttelte den Kopf. «Vor einem Jahr erst habe ich den Meistertitel bekommen und die Werkstatt eröffnet. Schulden haben wir. Für einen Arzt bleibt kein Geld übrig.»
    «Bringt mich zu Eurer Frau», bat Priska. «Ich möchte die Wunde sehen.»
    «Wird sie sterben müssen?», fragte der Mann angstvoll und rang die Hände.
    Priska antwortete nicht. Als sie die Wunde der Nadelmacherinsah, wusste sie, dass nur noch Beten half. Die Frau litt am Wundbrand, hatte bereits das Bewusstsein verloren.
    Sie sah den Nadelmacher an, und als sie den großen, übermächtigen Kummer in seinem Gesicht las, wurde ihr das Herz schwer: «Euer Weib leidet an Wundbrand.»
    Der Mann schlug die Hände vor das Gesicht.
    «Eine Möglichkeit gibt es noch», sprach Priska weiter. Der Mann nahm die Hände vom Gesicht und sah sie mit neuer Hoffnung an.
    «Ich habe diese Art des Heilens noch nie probiert, habe aber gehört, dass die Leute in der Vorstadt einander so helfen. Ihr müsst Stillschweigen bewahren. Kein Wort zu einem anderen. Morgen früh komme ich wieder.»
    Sie nickte dem Mann noch einmal zu, strich dem kleinen Kind, das auf dem Boden spielte, übers Haar, warf einen Blick in die Wiege und lächelte ein drittes Kind, welches sich an das Bettzeug der Mutter klammerte, freundlich an.
    Auf dem Heimweg dachte sie daran, was sie heute Nacht tun musste. Ein Schauer lief ihr dabei über den Rücken, doch so groß ihre Furcht auch

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