Die Wunderheilerin
war, sie konnte nicht zulassen, dass die Nadelmacherin starb. Sie durfte einer Mutter von drei kleinen Kindern die Hilfe nicht verweigern. Selbst, wenn sie dafür eine Untat begehen musste.
Als Priska nach Hause kam, war Adam schon da. Er schien bester Laune zu sein, nahm sie in den Arm, schwenkte sie ein wenig herum.
«Was ist los?», fragte sie.
«Die Universität möchte, dass ich ein paar Vorlesungen halte. Sogar eine Leichenöffnung ist mir gestattet worden», jubelte er. «Das heißt, dass ich als Arzt anerkannt bin.»
«Das ist wunderbar», freute sich auch Priska. «Wann wirst du die erste Vorlesung halten?»
«In einer Woche schon», erwiderte er. «Ich muss mich darauf vorbereiten. Die neue Zeit, Priska, wird nun auch Einzug in die Wissenschaft halten.»
Priska nickte. «Du wirst also nicht über die Säftelehre reden, so, wie es die anderen tun?»
Adams Gesicht wurde ernst. «Ich werde es versuchen. Du weißt selbst, dass es zu viele Krankheiten gibt, deren Ursachen nicht mit der Säftelehre zu erklären sind. Zu viele Dinge, die Gottes Geißel genannt werden, aber auch die Gottesfürchtigen nicht verschonen. Die Franzosenkrankheit zum Beispiel. Seit ich das erste Jahr an der Universität hinter mir habe, trachte ich danach, ein Mittel dagegen zu finden.»
«Guajak, heißt es, soll helfen», wandte Priska ein. «Alle Apotheker der Stadt verkaufen es.»
Adam schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht daran. Guajak ist ein Holz, das aus der Ferne kommt, es ist sehr teuer. Überleben müssten also die, die sich Guajak leisten können. Aber so ist es nicht. Ob arm oder reich, die Krankheit verläuft immer gleich – egal, ob der Kranke mit Guajak behandelt worden ist. Die Leute sollten sich besser fragen, wem es nützt, dass sie Guajak kaufen, dann würden sie von alleine auf den Gedanken kommen, dass es nur wenig bringt.»
«Wie meinst du das?»
«Die Fugger haben das Monopol auf Guajak. Alles Holz, das in Deutschland verkauft wird, geht durch ihre Hände. Reich und reicher werden sie davon, doch der Trank, den die Apotheker aus dem Guajak brauen, hilft nur dem Gewissen, dem Körper aber nicht.»
«Woher weißt du das, Adam?», fragte Priska.
«Komm mit. Ich zeige es dir.»
Er nahm ihre Hand und führte sie in sein Laboratorium. Dort wühlte er in einer Truhe, die im hintersten Winkel des Raumes stand, und brachte ein gebundenes, aber unbedrucktes Buch zum Vorschein, dessen Seiten jemand mit fremder Handschrift gefüllt hatte. «Das sind die Aufzeichnungen meines Vaters. Ich habe sie ergänzt. Sieh her!»
Er blätterte in dem Buch, tippte auf die Eintragungen der letzten Seite. «Ich habe Vergleiche angestellt. Die alte Ursula in der Vorstadt leidet an der Franzosenkrankheit, und auch der Kannenmacher Justus ist davon befallen. Justus kann sich Guajak leisten, Ursula nicht. Ich behandle sie mit einer Salbe, in die winzige Mengen Quecksilber gemischt sind. Ihr Verfall geht langsamer voran als der von Justus.»
«Wie kommst du auf Quecksilber?», fragte Priska.
«Mit Eva war ich ein paar Mal im Erzgebirgischen. Die Bergleute dort leiden weniger unter den Folgen dieser Krankheit. Ich habe nachgedacht, wie dies zu erklären ist. Dann, ich gebe es zu, habe ich herumprobiert. Schon als Student habe ich einigen Kranken in der Vorstadt vom Silberpulver gegeben, das ich aus der Schmiede hatte. Den Kranken war es gleich. Sie wollten leben und gesund werden. Mit Silber oder ohne. Doch das Silber hatte keine Wirkung. Eines Tages hatte ich kein Silber mehr, weil David mir den Besuch der Silberschmiede verboten hatte. Da habe ich Quecksilber genommen, um die Kranken, die sich an das glänzende Pulver gewöhnt hatten, nicht zu enttäuschen. Und die Krankheit ist weniger grausam verlaufen als bei den anderen.»
«Das alles hast du hier niedergeschrieben?», fragte Priska verwundert.
Adam nickte. Priska konnte sich nicht länger bremsen. Sie musste ihn fragen.
«Warum, Adam? Warum suchst ausgerechnet du nach einem Mittel gegen diese Krankheit?» Es war dunkel im Laboratorium. Nur eine Öllampe brannte und warf gespenstische Schatten gegen die Wand.
«Warum?»
«Kannst du es dir nicht denken?»
«Hören will ich es, aus deinem Mund.»
«Ja, es ist, wie du glaubst. Ich habe eine Sünde auf mich geladen, habe widernatürliche Unzucht betrieben, trage große Schuld. Entschulden will ich mich bei Gott mit einer Arznei gegen die Krankheit. Und ich werde weiter forschen, bis ich sie gefunden habe.»
«Eine
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