Die Wunderheilerin
Und das können wir uns nicht leisten. Darum muss ich schwanger werden und kann dann den Frauen im Hurenhaus erklären, welche Methoden man anwenden muss, um schwanger zu werden, und was man auf keinen Fall tun darf. Verstehst du, Adam? Wir müssen das Pferd von hinten aufzäumen, damit uns niemand etwas anhaben kann. Die Hübschlerinnen sind nicht dumm. Wenn ich ihnen beispielsweise sage, dass sie auf gar keinen Fall Bienenwachs verwenden dürfen, weil dadurch eine Empfängnis gefährdet ist, so wissen sie diese Mitteilung einzuordnen. Und wer weiß? Vielleicht gelingt es uns auf diese Weise sogar, ein Mittel zu finden, dass die Übertragung der Franzosenkrankheit verhindert.»
Adam erwiderte nichts, doch in seinen Augen stand so viel Bewunderung für seine kluge Ehefrau, dass Priska errötete. Er stand auf, nahm sie bei der Hand: «Lass uns ins Laboratorium gehen. Ich habe dort noch Bienenwachs.»
Einträchtig verließen sie die Wohnstube, lauschten nach den Geräuschen im Haus, doch die Magd hatte sich schon in ihre Kammer zurückgezogen, alles war still.
Im Laboratorium entzündete Adam sämtliche Lichter. Dann holte er ein Gefäß mit Bienenwachs, kratzte eine kleine Hand voll heraus und reichte sie Priska.
Priska knetete das Wachs in der Hand, bis sie eine Kugel geformt hatte.
«Wie … wie sehe ich eigentlich da drinnen aus?», fragte sie schüchtern.
«Das werden wir gleich herausfinden», erklärte Adam. «Komm her», sagte er, nahm ein Blatt Papier und einen Federkiel zur Hand. Er zeichnete etwas, das entfernt einer Blüte ähnlich sah. Dann erklärte er: «Das, was aussieht wie pralle Rosenblätter, sind die großen Schamlippen. Darunter liegen die kleinen Schamlippen. Sie wachsen vorn am Schoß zusammen und bedecken einen Teil, der erbsengroß ist. In Italien nennen die Ärzte dieses Teil
Clitoride
, bei uns dagegen findet es keine Erwähnung. Das ist, so erfuhr ich von einem jüdischen Arzt, den ich in Florenz traf, das Zentrum der weiblichen Lust. Wenn ein Mann einer Frau beiwohnt, so vergrößert sich dieser Kitzler und wird groß und prall wie eine Kirsche. Ein Fingerbreit dahinter befindet sich eine Öffnung, aus der der Harn heraustritt. Kurz dahinter liegt der eigentliche Eingang zur Scheide. Wenn die Frau die Beine spreizt, so entfaltet sich der Eingang.»
«Das habe ich schon gesehen», unterbrach Priska aufgeregt ihren Mann. «Damals, als Eva den kleinen Aurel zur Welt gebracht hat.»
Adam nickte und fuhr fort: «Die Kugel, du weißt es selbst, muss dort hineingeschoben werden. Sie muss den so genannten Muttermund verschließen, damit der Same des Mannes nicht eindringen kann. Du musst selbst fühlen, ob die Kugel richtig sitzt.»
«Ich … du meinst … ich soll mich
dort
berühren?» In Priskas Augen flackerte die Scham. «Die Kirche hat es verboten.»
Adam fing an, so ausgelassen zu kichern, dass Priska schließlich auch lächeln musste. «Ich benehme mich dumm, ich weiß», gab sie zu. «Vorhin noch habe ich dir einen Vortrag gehalten, und jetzt setze ich meine Scham über den Willen zu helfen.»
«Ja, da ist wohl ein Körnchen Wahrheit drin», erwiderte Adam, doch dann wurde er ernst. «Nimm diesen Spiegel», sagte er und reichte Priska einen handtellergroßen Spiegel, der in einen kostbaren Silberrahmen gefasst war und unten einen Griff zum Halten hatte.
«Heb deine Röcke und betrachte dich genau», sagte er. «Ich werde in der Zwischenzeit in der Küche einen Becher Wein trinken.»
Zögernd nahm Priska den Spiegel in die Hand. Wieder hatte die Scham ihr die Wangen rot gefärbt, doch Adam achtete nicht darauf. Er hielt ihr die Zeichnung hin. «Sieh genau hin», sagte er, «und versuche alles zu entdecken.»
Dann drehte er sich um und verließ das Laboratorium.
Priska konnte sich nicht erinnern, sich jemals so unwohl gefühlt zu haben. Sünde nannte die Kirche das, was sie vorhatte.Jeder, der sich selbst berührte, die Sünde des Onan beging, musste beichten und büßen. Doch Priska hatte nicht vor, eine Sünde zu begehen. Im Gegenteil.
«Gott weiß es», flüsterte sie leise vor sich hin, um sich zu beruhigen. Trotzdem war die Scham in ihr so groß, dass sie den Spiegel wie einen ekligen Wurm in der Hand hielt. Sie versuchte sich selbst Mut zu machen: «Um den Frauen zu helfen, muss ich wissen, wie eine Frau gebaut ist. Und am besten geht das, wenn ich weiß, wie mein Körper aussieht, wie er funktioniert.»
Für einen Moment kam es ihr seltsam vor, dass eine
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