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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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bedeutet mir etwas. Wenn ich in einer Kutschefahre, dann sehen mich die Leute an. Verstehst du? Sie bemerken mich, sie grüßen mich, sie tun mir schön. Ich bin etwas für sie.»
    «Das ist es?», fragte Priska und wunderte sich so sehr darüber, dass sie verblüfft den Kopf schüttelte. Sie will dasselbe wie ich, dachte sie. Sind wir uns doch so ähnlich? Sie will jemand sein. Das will ich doch auch nur. Für irgendwen wichtig sein. Für irgendwas nützlich sein. Ein Mensch sein. Und das war man erst, wenn es jemanden gab, der einen sieht und bemerkt.
    «Das ist es also?», wiederholte sie, noch immer verwundert.
    Regina nickte. «Aber ich werde niemals in einer Kutsche fahren. Du, Priska, hast sie mir weggenommen.»
    «Es geht doch nicht um die Kutsche. Dem Feuerknecht bist du bestimmt wichtig, oder?»
    Regina schüttelte den Kopf. «Dietmar wollte eine Frau und ein Kind. Welche Frau, welches Kind, Herrgott, das ist ihm gleich. Du hättest es sein können, wärst es beinahe geworden. Oder eine andere, das wäre ihm egal gewesen.»
    «Und der Zimmermannsgeselle?»
    Regina zuckte die Achseln, ihre Augen füllten sich mit Tränen. «Was soll mit ihm sein? Er tat mir schön, schenkte mir Wiesenblumen, ließ mein Haar durch seine Finger rinnen und nannte mich liebreizend. Dann starb der Meister, dem er gedient hat. Die Witwe wollte ihn zum Manne, gab ihm dafür die Werkstatt. Jetzt lässt er seine Finger durch ihr Haar, das schon grau und struppig ist, gleiten.»
    «Du hast ihn geliebt, nicht wahr?»
    «Ich weiß es nicht. Ja. Vielleicht. Manchmal grüßt er nicht einmal, wenn er mich in der Stadt trifft. Dann kommter aber doch wieder, wenn Dietmar nicht zu Hause ist, wirft er einen Stein ans Fenster und wartet in der nächsten Gasse auf mich.»
    «Warum wolltest du dann Adam heiraten?»
    «Weil es mir die Meisterin geboten hat. Ebenso wie danach Dietmar. Was sie sagt, wird gemacht. Das weißt du doch. Aber bei Adam hätte ich wenigstens Ansehen und genügend Geld gehabt. Der Zimmermann hätte mich grüßen müssen. Mich und mein glänzendes, duftendes Haar.»
    «Aber du gehst trotzdem noch zu ihm.»
    Regina nickte. «Ja, weil er zu mir kommt und nach mir ruft. Das tut sonst niemand.»
    Das Kind schrie. Regina stand auf, nahm es auf den Arm, barg sein Köpfchen an ihrer Brust. «Pscht, pscht», machte sie und wiegte es sanft hin und her.
    «Warum wolltest du, dass ich dich besuche?», fragte Priska nach einer Weile. Das Kind hatte sich beruhigt, saugte nun an Reginas Brust.
    «Ich möchte nicht noch einmal schwanger werden. Du musst mir dabei helfen, bist die Frau des Stadtarztes.»
    «Nein, Regina, das kann ich nicht. Das ist verboten, du weißt es», antwortete Priska sofort. Sie wusste selbst nicht, warum sie ihr weniges Wissen nicht mit ihrer Schwester teilen wollte.
    Regina ließ nicht locker. «Du warst es, die früher der Kräuterfrau zur Hand gegangen ist.»
    Priska lachte auf, dann beugte sie sich zu Regina. «Du willst von mir wissen, wie man eine Schwangerschaft vermeidet? Ausgerechnet von mir? Ich bin mit einem Mann verheiratet, der mich nicht beschläft. Ich habe kein Kind geboren. Woher soll ich mein Wissen haben?»
    Sie stand auf, hielt sich mit beiden Händen an der Tischkante fest. Ihre Welt war plötzlich ins Schwanken geraten.
    «Kneif die Beine zusammen, Regina. Das ist alles, was ich dir raten kann.»
    «Du hilfst mir nicht?», fragte Regina.
    «Nein.»
    «Warum hasst du mich so?»
    Priska schüttelte den Kopf. «Ich hasse dich nicht.»
    «Doch, das tust du. Du willst mich zerstören.»
    Regina stand auf, ihre Augen sprühten Feuer. «Noch nie hast du mich neben dir gelten lassen. Noch nie. Schon als Kind hast du alles getan, um dich von mir zu lösen. Du tust nur so, als seist du gut und gottesfürchtig. In Wirklichkeit bist du die Schlimmste von allen. Verlass mein Haus, Priska. Und komm niemals wieder. Aber eines merke dir: Bevor du mich zerstörst, werde ich dich vernichten.»
    Priska erschrak. «Du weißt nicht, was du sagst, Regina. Ich hasse dich nicht, ich will dir nichts Böses. Noch nie habe ich das gewollt.»
    Regina winkte ab. Ihre Augen wirkten wieder leer. «Vielleicht», sagte sie, «weißt du es selbst nicht einmal. Aber ich   … ich weiß, was ich weiß.»

Zwölftes Kapitel
    Eigentlich hatte Priska über den Besuch bei Regina nicht weiter nachdenken wollen. Doch als sie sich das nächste Mal mit dem Mutterring für die Hübschlerinnen beschäftigte, kam ihr die Schwester wieder

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