Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
hatten. Der zweithöchste Beamte lud Kalle Homanen und Lauri Lonkonen höflich zu einem Arbeitsessen in die Botschaft ein, und zwar bereits am nächsten Tag. Ein Angestellter teilte ihnen mit, dass ein Wagen samt Chauffeur sie aus dem Hotel abholen würde. Jetzt war alles in Ordnung. Den ganzen Nachmittag und Abend verwandten die Freunde darauf, die Entwürfe der Reisebücher ins Chinesische zu übersetzen. Hilfe bekamen sie von ihrem eigenen Strohmann, der einen Bekannten, einen Karatelehrer chinesischer Herkunft, für die Arbeit gewinnen konnte. Gegen Mitternacht war alles fertig. Auch die Gebetsmühle und die Konstruktionsvorlagen waren geprüft und die Zeichnungen erneut kopiert.
Am nächsten Tag traf zur vereinbarten Zeit eine Limousine der chinesischen Botschaft vor Lauris und Kalles Hotel ein. Der schwarze Wagen war auf Hochglanz poliert. Kalle vermutete, dass er in China produziert worden war, dass das Modell aber auf der alten sowjetischen Staatskarosse Tschaika basierte. Wagen und Chauffeur wirkten sehr stilvoll, der Chauffeur trug eine blaue Uniform und eine prachtvolle Schirmmütze nebst weißen Handschuhen, und sein Benehmen wirkte fast militärisch. Feierlich fuhren sie vom Hotel zur Botschaft.
Als sie am Ziel angelangt waren, führten ihre Gastgeber sie ins Speisezimmer, wo ein Lunch mit sechzehn Gerichten vorbereitet war, delikat und üppig, ganz nach chinesischer Sitte. Zu trinken gab es kaltes Wasser und chinesischen Weißwein. Lauri fand das Aroma des Weins etwas ungewöhnlich, aber trotzdem gut, er hätte ausgezeichnet zu kaltem Stör gepasst.
Zehn chinesische Diplomaten saßen in der Tischrunde. Im Verlauf der Mahlzeit hielten sowohl die Gäste als auch die Gastgeber kurze Reden, in denen sie aktuelle politische Fragen behandelten. Die Gastgeber interessierten sich besonders für die gegenwärtigen Beziehungen zwischen China und Finnland, wozu sowohl Lauri als auch Kalle gern ihre persönliche Ansicht darlegten. Die Atmosphäre war freundlich und offen, das Essen ausgezeichnet und, wie gesagt, der Wein des Gastgeberlandes vorzüglich. Lauri und Kalle bezeichneten die Beziehungen zwischen Finnland und China als gutes Beispiel für das Aufeinanderzugehen zweier unterschiedlicher Kulturen, einer asiatischen Großmacht und einer kleinen westlichen Demokratie. Trotz dieser grundlegenden Unterschiede kamen beide Länder gut miteinander aus, und besonders ihre Bewohner achteten einander. Einhellig konstatierten Gastgeber und Gäste, dass die Beziehungen zwischen Chinesen und Finnen als Vorbild für die gegenseitige Wertschätzung und Harmonie zweier unterschiedlicher Völker dienen konnten.
Das Gespräch wurde auf Englisch geführt, denn Kalle und Lauri konnten kein Chinesisch und auch sonst keine asiatische Sprache. Nach dem Lunch bat der Gastgeber sie ins Gesellschaftszimmer, wohin noch ein Gläschen Wein und Aschenbecher gebracht wurden – der richtige Zeitpunkt also, ihren Gastgebern von den neuen Projekten zu erzählen, die der Anlass ihres Kommens waren. Kalle holte die Gebetsmühle hervor, und Lauri breitete auf dem Tisch die Zeichnungen aus, außerdem verteilte er die Kopien mit den Entwürfen für die Reisebücher. Die Präsentation konnte beginnen, aber zuvor sorgte der Gastgeber für eine lustige Überraschung. Ein jüngerer Mitarbeiter kam herein, unter den Armen trug er zwei Fellknäuel von der Größe und dem Aussehen von Mardern, die sich dann jedoch als Mungos erwiesen. Der junge Mann setzte sie auf den runden Tisch des Gesellschaftszimmers, dort beschnupperten sie zunächst ihre Umgebung, und als sie sich an die Situation gewöhnt hatten, tollten sie verspielt herum. Sie waren sehr flink und geschickt und hatten keine Scheu vor den beiden Finnen, sondern kamen mutig näher, um sie zu beschnuppern, sprangen sogar auf ihren Schoß und kletterten auf ihre Schultern. Die Chinesen erzählten, dass die beiden Tiere eigentlich auf ihre Art ebenfalls Diplomaten waren: ihre Aufgabe war es, die Gäste der Botschaft zu unterhalten, wenn die Verhandlungen besonders kompliziert waren. Oft erhielten die Freunde der Botschaft zum Abschied ein oder zwei Mungos als Geschenk. Wollten vielleicht auch die Finnen Mungos in ihr Heimatland mitnehmen?
Kalle hätte gern zugestimmt, aber Lauri fand, dass sie keine Tiere mit sich herumschleppen konnten, sondern sich auf ihre Chinareise, die Visabeschaffung und die anderen Vorbereitungen konzentrieren mussten. Also bedankten sie sich bei den Gastgebern für
Weitere Kostenlose Bücher