Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
das verlockende Angebot, auf das sie allerdings nicht eingehen konnten, da sie ein kompliziertes Reiseprojekt geplant hatten – nach China, wohin auch sonst.
Das Gespräch wandte sich der aktuellen Situation in Indien zu. Die Chinesen erzählten, dass ihre Beziehungen zu Indien seit Jahren sehr angespannt seien. Sogar bewaffnete Zusammenstöße habe es an Indiens Nordostgrenze gegeben. Die Tibet-Frage habe die Beziehungen noch weiter kompliziert. Die Exilregierung des Dalai Lama tat nach Meinung der Chinesen alles, um die Beziehungen weiter abkühlen zu lassen. China ließ sich jedoch in einer so ernsten Angelegenheit nicht provozieren. Das beste Beispiel dafür war Chinas Botschaft in Neu Delhi: Fünfzig chinesische Diplomaten taten ihr Bestes, damit die Nachbarn friedlich und einträchtig miteinander leben konnten. Es ging um nichts Geringeres als den Weltfrieden.
Lauri ergriff das Wort und erzählte, dass er zusammen mit seinem Freund eine Reise nach Lhasa plane. Dafür benötigten sie ein Visum. Eben das sei auch der hauptsächliche Anlass ihres Besuches, aber bevor man darauf zu sprechen komme, wollten sie von zwei wichtigen Projekten erzählen. Das eine sei eine Gebetsmühle, die bereits viel Interesse geweckt habe, und das andere eine aus drei Bänden bestehende Publikation, in der sie über die drei berühmtesten Eisenbahnstrecken der Welt berichten wollten.
Die Diplomaten waren sehr angetan von dem Buchprojekt, besonders von jenem Werk, das die neue, durchs Hochgebirge verlaufende Bahnstrecke zwischen Peking und Lhasa zum Thema haben sollte. Zuvorkommend stellten sie Lauri und Kalle die erforderlichen Visa in Aussicht, die bereits nach einer Woche fertig sein würden. Benötigt würden lediglich geeignete Fotos von beiden Männern, ferner Kopien ihrer Pässe und eine Aufstellung mit Details der geplanten Reise.
Das in herzlicher Atmosphäre verlaufende Treffen näherte sich seinem Ende. Die Mungos turnten auf Lauris und Kalles Schultern herum und schmatzten ihnen Küsse ins Gesicht. Der Gastgeber erzählte, dass diese zahmen Mungos eigentlich Tiersoldaten der chinesischen Armee seien, ähnlich wie die Pferde, die Geschütze zogen, oder wie die Fährtenhunde der Grenztruppen.
Er verriet seinen Gästen im Vertrauen, dass bei der Luftabwehr der chinesischen Landstreitkräfte zahme Mungos zur Reinigung von Rohren der 75 -Millimeter-Geschütze eingesetzt würden. Die Mungos seien gelehrige Wesen, sodass es recht einfach gewesen sei, sie für diese Aufgabe auszubilden. In der Praxis sah das so aus, dass am Hintern eines Tieres ein 75 -Millimeter-Wischlappen befestigt wurde. Der Lappen wurde mit Putzmittel getränkt, dann wurde der Mungo in das Rohr gesetzt, in das er gerade so passte. Hinter ihm wurde die Klappe geschlossen, und so hatte er nur eine einzige Möglichkeit, der Dunkelheit zu entrinnen – er musste nach vorn zur Spitze laufen. Unterwegs reinigte er das Rohr von Fett und Ruß. Als Lockmittel hing vorn an der Öffnung eine Schnur mit Fleischstückchen. Getrieben von seinem feinen Instinkt, trabte der Mungo zu den Leckerbissen, wobei er gleichzeitig mit dem an seinem Hintern befestigten Wischlappen für Sauberkeit im Kanonenrohr sorgte.
Später im Hotel entwickelte Kalle den Gedanken, dass die finnische Armee eigentlich Wildkatzen dafür ausbilden könnte, die Geschützrohre der Küstenartillerie zu reinigen, ganz nach dem Vorbild der Chinesen und ihrer Mungos. Auch Lauri fand, dass sich die Katzen gut als Soldaten der Küstenartillerie eignen würden, sie hatten die passende Größe für die Rohre, und sie würden zudem kostenlos arbeiten.
9
Lauri Lonkonen und Kalle Homanen bedankten sich bei ihren chinesischen Gastgebern für das schmackhafte Essen und die angenehmen Gespräche. Bevor sie aufbrachen, teilten sie noch mit, dass sie nun doch die beiden zahmen Mungos, die im Gesellschaftszimmer aufgetreten waren, kaufen wollten. Die chinesischen Diplomaten nahmen jedoch kein Geld für die Tiere und erklärten, dass sie ein Geschenk des großen China an den nordischen Kulturstaat Finnland seien. Auf diese Weise wollten sie als Vertreter Chinas ganz praktisch die Völkerfreundschaft fördern. Und diesmal seien es eben zahme Mungos, die diese Aufgabe übernehmen würden.
Auf dem Rückweg ins Hotel besuchten Lauri und Kalle eine Vogelhandlung und kauften einen geräumigen Käfig für ihre Mungos. Die lebhaften Tiere akzeptierten ihr Quartier sofort und kletterten auf den Stangen herum. Jetzt
Weitere Kostenlose Bücher