Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Orient-Express von London nach Istanbul zum Thema haben sollte. Darüber hatte ja schon Agatha Christie ihren populären Kriminalroman geschrieben, aber was hinderte sie beide daran, über dasselbe Thema einen neuen und vielleicht sogar besseren Bericht zu verfassen?
Und noch eine dritte Buchidee entwickelte er: Diese längste Bahnfahrt würde in Helsinki beginnen und in Wladiwostok, im fernen Ostasien, enden. Lauri bestimmte mithilfe des Weltatlasses, dass die Strecke zehntausend Kilometer lang, wenn nicht sogar noch länger war. Spätabends ließ er sich seine Entwürfe an der Hotelrezeption ausdrucken und gab sie Kalle zu lesen. Der war überzeugt, dass die Chinesen solch produktiven Reiseschriftstellern gern die Visa nicht nur für Peking, sondern auch für Lhasa erteilen würden.
Vor dem Schlafengehen vereinbarten sie, dass sie, vorausgesetzt sie bekämen die Visa und könnten die Reise antreten, auf jeden Fall Lauris Buchprojekte realisieren würden. Das erste Werk würde bereits nach einem Jahr erscheinen, die beiden anderen jeweils im Abstand von einem weiteren Jahr. Sie hatten somit drei Jahre Arbeit vor sich, interessant und in vielerlei Hinsicht spannend.
Die Aktualisierung der Gebetsmühle und der Bau eines neuen Prototyps nahmen nur eine Woche in Anspruch. Die früheren Zeichnungen und die neueren Entwürfe machten die Sache einfach. In Neu Delhis größter Maschinenfabrik, die zu der Werkstattkette gehörte, war die Version II in zwei Tagen montiert. Lauri errechnete, dass, falls für die Gebetsmühle ein Miniaufnahmegerät und ein Handy von Nokia verwendet würden, dem finnischen Elektronikriesen ein millionenfacher Absatz dieser Produkte garantiert wäre.
Kalle plante die Herstellung der Mühlen nach herkömmlicher Fließbandmethode, im Prinzip jener, mit der seinerzeit auch der Ford produziert worden war. Die Produktion konnte seiner Meinung nach in Finnland angesiedelt werden, sodass man weder in Indien noch in China eine entsprechende Fabrik zu errichten brauchte. Die Frachtkosten von Nordeuropa nach Asien wären niedrig, denn die Geräte waren klein, in einen Karton von einem Kubikmeter würden Hunderte Exemplare passen. Man könnte sie aus dem Herstellungsland per Luftfracht verschicken. Kalle vermutete, dass Air France das zu günstigen Konditionen übernehmen würde.
Als der neue Prototyp fertig war, bemühte sich Lauri um Kontakt zur chinesischen Botschaft. Erst beim zweiten Anlauf klappte es, und er bekam gleich für den nächsten Tag einen Termin. Die Entwürfe für die neuen Bücher wurden kontrolliert, die neue Mühle wurde poliert und das Aufnahmegerät ausprobiert. Zwei indische Filmschauspieler sprachen, außer Hindu-Versen und frommen Sprüchen, auch entsprechende islamische und buddhistische Texte aufs Band. Kalle und Lauri waren überzeugt, dass ihnen nach diesen Vorbereitungen die Visa von der chinesischen Botschaft sicher wären. Sie würden mit ihrer Gebetsmühle nach Peking fliegen und dort die lange Reise nach Lhasa antreten, unterwegs fotografieren und sich Notizen machen. Nach ihrer Rückkehr aus Tibet würde bestimmt auch das Treffen mit dem Dalai Lama zustande kommen, schließlich hätten sie dann neueste Informationen aus seiner ehemaligen Hauptstadt im Gepäck. Außerdem könnten sie ihm eine Kopie des Manuskripts für den Bildband einschließlich der Fotos überreichen. Als Gegengeschenk würde er, so glaubten sie, ihnen bei der Vermarktung der Gebetsmühle in China, Indien oder sogar Japan helfen.
»Die Maschine macht’s möglich«, sinnierte Lauri und tippte auf dem Taschenrechner herum. Zwei, drei Millionen verkaufter Gebetsmühlen würden ihn und Kalle reich, religiös und glücklich machen.
8
In der chinesischen Botschaft in Neu Delhi waren mindestens fünfzig Menschen beschäftigt. Die meisten von ihnen waren Diplomaten, Botschaftssekretäre, Militärattachés, Experten der verschiedensten Gebiete. Außerdem gab es eine riesige Menge Personal: Chauffeure, Köche, Putzfrauen, Dolmetscher, Sekretäre.
Als Lauri den Telefonkontakt mit der Botschaft hergestellt hatte, erzählte er dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, dass er und sein Ingenieursfreund neue Projekte im Hinblick auf die Beziehungen Indiens und Chinas entwickelt hätten. Gern würden sie ihre Erfindungen vorstellen, sie dürften die chinesischen Diplomaten interessieren.
Lauri hatte recht. Die Chinesen erkannten sofort, dass die Finnen etwas außerordentlich Wertvolles anzubieten
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