Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
für den Haushalt notwendigen Fahrten in die nahe gelegenen Städte, manchmal sogar in die Hauptstadt Neu Delhi. Der Dalai Lama selbst reiste ebenfalls fleißig, wobei ihn seine Reisen zumeist ins Ausland führten. Auch Finnland hatte er mehrmals besucht, sodass er die Finnen besser kannte als manch anderer Politiker von internationalem Rang.
Lauri und Kalle kamen mit einem kleinen Auto, das sie gemietet hatten – Kalle saß am Steuer, und Lauri studierte die Karte. Die Straßen in Indien waren schlecht und, außer im Umfeld größerer Städte, kaum asphaltiert, aber da der Sommer bisher regenlos gewesen war, fuhr es sich gut, die Oberfläche war fest und trocken.
Die Mungos schliefen auf der Rückbank des heißen Autos in ihrem Vogelkäfig. Sie hielten sich umschlungen, und nur wenn das Auto auf der holperigen Straße besonders heftig schaukelte, wachten sie auf und zupften sich zum Zeitvertreib das Fell. Sie waren reizende Wesen und bereits auf dem besten Wege, sich an Kalle und Lauri zu gewöhnen. Mungos gewöhnen sich leicht an Menschen und lernen rasch alle Kunststücke, die man ihnen beibringt. Sie sind sympathische Tiere, jedes von ihnen ein Wildfang mit einem schier unerschöpflichen Spieltrieb.
Der Dalai Lama empfing seine finnischen Gäste freundlich und offen. Er erzählte, dass er die nordischen Länder mehrfach besucht habe, Finnland insgesamt vier Mal. Stets habe man ihn freundlich aufgenommen, auch wenn Finnlands Spitzenpolitiker nicht gewagt hatten, ihn zu treffen, da angeblich ihre Beziehungen zu China darunter gelitten hätten, was der Dalai Lama gern glaubte. Trotzdem hielt er dieses Verhalten für übertrieben und irgendwie schofelig. Als Chef der Exilregierung hätte er sich gewünscht, dass auch die finnischen Politiker ihn und das von ihm repräsentierte unterdrückte Volk Tibets unterstützten. Er empfahl seinen beiden Gästen, nach ihrer Heimkehr den finnischen Spitzenpolitikern bei passender Gelegenheit zu erzählen, dass ihr herablassendes Verhalten gegenüber den Leiden des tibetischen Volkes ihnen nicht zur Ehre gereichte. Lauri und Kalle versprachen, diese Grüße des Dalai Lama in Finnland auszurichten.
Trotz seines Alters war der Dalai Lama äußerst vital. Seine Haut war elastisch und männlich braun, er sah aus wie ein teurer Kupferkessel. Die sehnigen Hände zeugten von guter Blutzirkulation und jäher Kraft, die ihm wahrscheinlich bei der Schulung von widerspenstigen und ungebildeten Mönchen von Nutzen gewesen war. Lauri vermutete, dass auf dem Speiseplan des Mannes während der vergangenen Jahrzehnte mehr gestanden hatte als gekochter Reis und welke Wurzeln.
Wenn der Dalai Lama im kalten Wasser des Inselarchipels hätte ausharren müssen, hätte er diese Prüfung dank seiner Körperkräfte ganz sicher ebenso gut bestanden wie Lauri. Auch das Beten hätte er routiniert erledigt. Aber wäre der Lama wirklich lebend dem Meer entronnen? Im Vergleich mit Nordländern war er klein, maß vielleicht nur 1 , 60 Meter. Hätte das Meer dem religiösen Führer bis zum Kinn gereicht, oder hätte ihn die erste Welle trotz seiner Frömmigkeit überspült? Lauri hätte den Dalai Lama auf die Schultern nehmen müssen, damit sie beide überlebten. An sich ein großartiger Gedanke, Freundschaft und Rettungswille zwischen Asien und Europa.
Trotz seiner Munterkeit humpelte der Hausherr der Residenz. Lauri und Kalle registrierten besorgt, dass er, als er für seine Gäste einen alten Mönchslikör holte, deutliche Probleme mit dem linken Fuß hatte, kaum damit auftreten konnte. Seine Angestellten hatten sich anscheinend nicht darum gekümmert.
Kalle Homanen fasste Mut und erkundigte sich, was mit dem Fuß los sei. Der Dalai Lama bekannte, dass er aufgescheuert war. Gemeinsam sahen sie sich die Sache an, und tatsächlich – der große Zeh blutetet fast. Auch die anderen Zehen waren wund, und die Sohle der Sandale feucht und rot. Kalle entdeckte sofort, dass es das Schuhwerk war, das den Schaden verursacht hatte. Ohne groß zu überlegen, streifte er die eigenen Sandalen von den Füßen und reichte sie dem Gastgeber. Lauri ließ sich rasch von einem der Bediensteten eine Schüssel mit warmem Wasser geben und wusch vorsichtig die entzündeten Zehen. Er erinnerte sich an seine Kindheit, da seine Mutter ebenso gehandelt hatte. Kalle schlüpfte in die Sandalen des Dalai Lama, und Lauri entledigte sich seiner ziemlich sauberen Strümpfe, um sie dem Dalai Lama anzuziehen und so dessen Zehen zu
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