Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
dem Dalai Lama ein hochmodernes religiöses Hilfsinstrument vorstellen, das sie mit ganz gewöhnlichen Hindus erprobt und mit dem sie ausgezeichnete Erfahrungen gemacht hatten. Der Dalai Lama hätte die einzigartige Gelegenheit, die moderne Andachtsmechanik kennenzulernen und darüber gegebenenfalls auch sein religiöses Urteil abzugeben.
Leider konnten diese Ankündigungen das Interesse des Dalai Lama nicht wecken. Sein Sekretär verwies auf den engen Zeitplan und erklärte, dass in zwei Jahren ein Treffen möglich wäre, sofern die Sache dann noch aktuell sei.
Kalle und Lauri planten eine neue Herangehensweise. Für die Vermarktung der Gebetsmühle wäre eine Sympathiebekundung des Dalai Lama unerlässlich, auch sonst wäre es großartig, einem der einflussreichsten religiösen Führer der Welt zu begegnen. Darauf durften sie nicht einfach verzichten.
In der nächsten Nacht ersann Kalle eine, wie er fand, ausgezeichnete Methode, an den Dalai Lama heranzukommen. Gleich morgens beim Frühstück eröffnete er Lauri seine Idee. Möglicherweise könnten sie über die Chinesen eine Zusammenarbeit mit dem Dalai Lama erreichen.
»Was?«, rief Lauri verblüfft. Gerade die Chinesen hatten ja den Dalai Lama ins Exil getrieben und sein Reich besetzt, hatten die Tibeter ins Gefängnis gesteckt oder zur Zwangsarbeit verdonnert, hatten wer weiß wie viele der armen Menschen im Laufe der Jahre umgebracht.
Kalle schenkte seinem Freund Tee ein und erzählte ihm dann Einzelheiten. Sie würden mit der chinesischen Botschaft in Neu Delhi Kontakt aufnehmen und den dortigen Beamten die Idee einer Bahnfahrt von Peking bis in Tibets Hauptstadt Lhasa schmackhaft machen. Jene tausend Kilometer lange Bahnstrecke war unlängst in Betrieb genommen worden. Damit existierte eine gute Verkehrsverbindung zwischen Tibet und dem Mutterland China. Aus Sicht der Chinesen würde das Tibets endgültige Verschmelzung mit China besiegeln und damit das Ende des ganzen langen Konfliktes.
Die beiden Freunde besprachen die praktische Umsetzung des Vorhabens. Zunächst galt es, die chinesischen Behörden zu kontaktieren, sich um eine Audienz in der chinesischen Botschaft in Neu Delhi zu bemühen. Dann müssten sie sich die Visa beschaffen. Kalle hatte bereits eine Idee, mit welcher Begründung sie das Visum beantragen würden. Sie würden in der Botschaft angeben, dass sie mit dem neuen, modernen Zug von Peking nach Lhasa reisen und anschließend ein Buch darüber schreiben wollten, das auch Fotos enthalten solle. Ein berühmter britischer Verlag würde das Buch publizieren und es international vertreiben.
»Ich kann mir vorstellen, dass dieses Projekt den Chinesen gefällt«, freute sich Kalle.
Lauri bestätigte, dass es an sich ein guter Gedanke war, ein Buch zu schreiben, aber hatte Kalle darüber nachgedacht, wer von ihnen den Text verfassen sollte und ob der dann wirklich für eine weltweite Verbreitung geeignet sein würde? Er schimpfte Kalle einen Einfaltspinsel. Buchtexte schüttelte man nicht einfach so aus dem Ärmel, Literatur zu schreiben war schließlich nicht dasselbe, wie Erde umzugraben oder den Fußboden zu wischen.
Diese Zweifel prallten an Kalle ab. Über ein so klar umrissenes Thema könnte jedermann ein Buch fabrizieren, das würde nur ein paar Wochen Arbeit kosten. Natürlich wäre es gut, vorher tatsächlich von Peking nach Lhasa zu reisen. Falls Lauri den Text schreiben würde, könnte er, Kalle, unterwegs die erforderlichen Fotos knipsen. Er hatte sowieso eine geeignete kleine Taschenkamera bei sich.
Lauri fand Kalles Pläne schwindelerregend. Andererseits, was hinderte sie daran, das Ganze auszuprobieren? Und so entwarf er noch am selben Tag in seinem Hotelzimmer englischsprachige Inhaltsangaben für drei Eisenbahnbücher. Das erste war ein Reisebericht über die neue Trasse Peking–Lhasa, eine Strecke von tausend Kilometern, beginnend in Peking und dann weiter durchs chinesische Hochland bis in die Hauptstadt Tibets. Lauri fand inzwischen selbst, dass man diese Reise unbedingt machen und ein Buch darüber schreiben müsste. Und das Beste: Es sollte ein Bildband werden. Von Kalles Fotokünsten war Lauri zwar nicht recht überzeugt, aber er selbst hatte schließlich auch noch nie einen Buchtext geschrieben, sodass sie also beide zu lernen haben würden.
Einmal in Fahrt gekommen, dachte sich Lauri gleich noch zwei weitere Projekte aus. Er schrieb außerdem einen Entwurf für ein Buch, das die legendäre Fahrt im
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