Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
standen Kannen mit frischem Wasser, und für beide Gäste lag je eine englischsprachige Broschüre bereit, in der von der Macht des heutigen China und von der neuesten Entwicklung Tibets und Lhasas berichtet wurde. In dieser Hinsicht war also alles in Ordnung. Der Träger schleppte die Koffer der Reisenden in dieses öde Kloster und stellte sie neben den Betten ab.
    Es war bereits Zeit zur Nachtruhe. Lauri und Kalle bedankten sich bei ihrem freigiebigen Führer Ky, nachdem sie zuvor verabredet hatten, dass er sie zeitig am Vormittag zum Frühstück abholen sollte.
    Als die beiden Freunde allein waren, unterhielten sie sich über ihre Erfahrungen. Sie kamen zu dem Schluss, dass sie die Gebetsmühle von nun an besser nicht vor staatlichen Beamten einschalten sollten, aber ganz wollten sie auf den Apparat nicht verzichten, und auf jeden Fall wollten sie erkunden, ob sich die Tibeter dafür interessierten. Ohne Weiteres ließe sich ein Programm in der Landessprache einspeisen, das sich die Einheimischen, auch die wenigen noch lebenden Mönche, privat anhören könnten, um so ihrem alten Glauben Genüge zu tun.

14
    Eine moderne Gebetsmühle kann mehr leisten als nur fromme Andachtsdienste. In dem von Kalle entwickelten Gerät befand sich ein leistungsfähiges Handy, mit dem man mühelos ins Internet gelangen konnte, sogar von Tibet aus, und diese Möglichkeit nutzte der Erfinder jetzt. Er suchte nach Informationen über Tibets gegenwärtige Situation und fand einen langen Nachrichtenbeitrag zum Thema.
    Lauri und Kalle machten sich Notizen, während sie die Nachrichten studierten, die in der Tat bewiesen, dass China als Besatzungsmacht die einheimische Bevölkerung keineswegs sanft behandelt hatte. Die beiden Freunde beschlossen, all die Ungeheuerlichkeiten zur Sprache zu bringen, wenn sie ihren Gastgeber Ky zum Lunch treffen würden.
    Der Lunch wurde in demselben Pavillon eingenommen, in dem sie tags zuvor gespeist hatten. Diesmal gab es ein noch üppigeres Büfett, angeboten wurden mindestens zwanzig verschiedene, ausgezeichnet gewürzte kleine Bündel, in die Fleisch, Fisch und exotische Gewürze eingewickelt waren. Vizedirektor Ky hatte für die kommenden Tage ein Besichtigungsprogramm zusammengestellt. Er hatte den beiden Finnen einen tüchtigen Träger und einen Fremdenführer engagiert. Letzterer sollte sie ins Gebirge führen, wo sie eine Nacht oder vielleicht auch zwei in einer kleinen Hütte verbringen würden. Eine Yak-Safari, ein chinesischer Spieleabend und ein kulinarischer Ausflug zu den Speisetischen des Himalaja gehörten ebenfalls zum Programm. Lauri und Kalle nannten den Plan großartig und dankten ihrem Gastgeber für seinen Erfindungsreichtum und seine Mühe.
    Nach Abschluss der Mahlzeit zückte Lauri ein Blatt Papier, auf dem er zusammen mit Kalle die Leiden des tibetischen Volkes während der chinesischen Besatzung aufgelistet hatte. Anfangs hörte Ky interessiert zu, aber im weiteren Verlauf des Vortrags wurde seine Miene immer angespannter, und schließlich verschwand das ewige Lächeln von seinem Gesicht.
    Lauri stellte klar, dass die Besetzung Tibets völkerrechtlich gesehen illegal gewesen sei und zum Ziel gehabt hätte, Chinas kleines Nachbarland zu versklaven. Über die Jahrzehnte hinweg hätte das chinesische Militär in Tibet und seiner Hauptstadt Lhasa ein strenges Regiment geführt, und ein Ende sei anscheinend nicht abzusehen. Erst im Jahr  2006 hatten Soldaten auf flüchtende Tibeter geschossen. Andersdenkende wurden in Lhasas neues Gefängnis gesperrt, und es gab Fälle, in denen Mönche und Nonnen verhaftet worden waren, nur weil sie ein Poster des Dalai Lama besessen hatten. Die im Land durchgeführte Umerziehungskampagne hatte indirekt die chinesischen Einwohner begünstigt. Das Analphabetentum unter den Tibetern hatte zugenommen. Außerdem verkaufte die Regierung Chinesen, die nach Lhasa ziehen wollten, verbilligte Bahnfahrkarten.
    Im Verlauf der Ausführungen blickte Vizedirektor Ky immer strenger drein. Eisig erklärte er, dass zumindest für diesen Tag das eingangs vorgestellte Touristenprogramm ausfallen würde. Es müsste noch genauer durchdacht werden.
    Schweigend kehrten Lauri und Kalle ins Kloster zurück und warfen sich auf ihre Betten. Ihnen schien, dass die Situation recht verfahren war. Die Chinesen ertrugen anscheinend keine Kritik an ihrer Politik.
    Die beiden engagierten auf eigene Faust einen Bergführer und unternahmen an den zwei folgenden Tagen jeweils für

Weitere Kostenlose Bücher