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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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und Anorak an und schützte die Hände mit Handschuhen. Lauri verfolgte das Ganze besorgt und warnte seinen Freund davor, sich nach draußen in die Flammen zu stürzen.
    Kalle konnte das nicht billigen. Wohin würde es führen, wenn sich auch alle anderen Reisenden damit begnügten, das zerstörerische Werk des Feuers zu beobachten, ohne etwas dagegen zu unternehmen? Im schlimmsten Fall könnte der ganze Zug in Flammen aufgehen und explodieren. Kalle nannte Lauri einen hoffnungslosen Versager ohne jede Spur von Eigeninitiative. Ein Wunder, dass er es überhaupt auf vierzig Lebensjahre gebracht hatte. Eigentlich war er ein einziges Ärgernis, faul und antriebslos.
    »Du störst nur, behinderst aktive Menschen, stehst dauernd im Weg.«
    Lauri solle endlich aus seiner angeborenen Lethargie erwachen, verlangte Kalle.
    Plötzlich wurde Lauri wütend auf seinen Freund und begann, sich auszuziehen. Er behielt nur seine kurzen Unterhosen und seine Turnschuhe an. Dann riss er Kalle die Axt aus der Hand und stürzte aus dem Waggon. Ohne viel Federlesens fällte er am Bahndamm eine junge Fichte, nahm sie in die Hand und drosch verbissen auf die herannahende Feuerwalze ein, dass die Funken nur so stoben. Er war ein großer Mann und hatte viel Kraft, zusätzlich erhöhte seine Wut die Intensität der Löscharbeit. Kalle kam ebenfalls nach draußen, fällte sich seine eigene Fichte und gesellte sich zu Lauri. Gemeinsam schlugen die Freunde auf das glimmende Gras. Erste Ergebnisse zeigten sich. Das Feuer begann zu ersticken, während die beiden resoluten Finnen pausenlos die Flammen niederschlugen. Ihre Augen brannten und ihr Mund war trocken, aber sie ließen sich nicht beirren, sondern droschen weiter drauflos. So wurde das Feuer schließlich besiegt und konnte den Zug nicht in Brand setzen. Von oben bis unten mit Ruß bedeckt, mühten sich die beiden Freunde gut eine Stunde ab. Dann waren sie so erschöpft, dass sie die Fichten fallen ließen und sich wieder in den Waggon schleppten. Aber die Mühe war nicht umsonst gewesen, die Glut am Zug war gelöscht und die Situation gerettet.
    Der Zugbegleiter führte sie in die Dusche, und als sie sich den Ruß abgewaschen hatten, reichte er ihnen frische Handtücher.
    Kalle lobte seinen Freund, sagte ihm, dass er sich am Ende doch als ungemein tüchtig erwiesen habe. Die beiden versöhnten sich, gaben sich die Hand und zogen sich saubere Sachen an.
    Etwa eine Stunde später überquerte die flammende Front vor dem Zug die Trasse und verschwand in Richtung Südwesten. Sie nahm scheuende Tiere mit sich und ließ schwarze, heiße Asche zurück. Der dicke Qualm verzog sich, und bald war von der Feuersbrunst nur noch Hitze übrig. Lauri lockte den verdächtigen Chinesen, der sich draußen am Bahndamm umgesehen hatte, in den Nachbarwaggon. Lauri wollte den Schnüffler loswerden. Bevor der Mann in seinen ursprünglichen Waggon zurückkehren konnte, schlossen sich die Türen, und der Zug fuhr ab.
    Die starke Schönheit aus Stahl, die dem Feuer entronnen war, rollte anfangs nur langsam über die heißen Gleise, aber bald meldete sich ihr heftiges Naturell zurück, und sie raste noch schneller als vorher in Richtung Lhasa.
    Während der restlichen Fahrt legte Kalle letzte Hand an die Zeichnungen zu seiner Straßenbauerfindung. Künftig würden die Autobahnen glasklar aussehen. Aus Kunststoff ließen sich durchsichtige Beläge herstellen und gleichzeitig Öffnungen einbauen. So könnten Tageslicht und das für das Pflanzenwachstum wichtige Sonnenlicht durch die Straße hindurchscheinen. Kalle ergötzte sich regelrecht an der Vorstellung, wie die Leute in Asien Reis, in Europa wiederum Kartoffeln und Gemüse oder auch Getreide unter den Autobahnen anbauen würden. Niemand könnte sich mehr darüber aufregen, dass die Autobahnen so unendlich viele Hektar bestes Ackerland verschlangen.

13
    Nach anderthalbtägiger Fahrt erreichte der Zug am Nachmittag Lhasa. Die Sonne ging bereits unter. Die ehemalige tibetische Hauptstadt war vor Hunderten von Jahren dreitausendachthundert Meter über dem Meeresspiegel errichtet worden, am Fluss Brahmaputra, der durch diese schwindelerregenden Gebirgshöhen floss. Die uralte Klosterstadt lag da, vergoldet vom Licht der untergehenden Sonne, und ihre schroff aufragenden Gebäude, die berühmten Klöster, schmiegten sich an die Berghänge wie das Abendkleid einer Frau, unauffällig und natürlich. Der Anblick war herzergreifend. Lauri und Kalle wurden fast andächtig,

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