Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
China nicht auf halbem Wege stehen bleibe werde. Teppo veröffentlichte in seiner Zeitung die »Erläuterungen zum langen Marsch«, die zu dem Mythos von Maos Bewegung geführt hatten, und wurde daraufhin rausgeworfen. Also beschloss er, dem Heimatland Adieu zu sagen und seine Kampfgefährten dort zu suchen, wo es sie zu Millionen gab.
Die Reise nach China dauerte zwei Monate, und Teppo kam unterwegs ziemlich auf den Hund, da er kein Geld und auch sonst keine bürgerlichen Güter besaß. Über Albanien und zahlreiche osteuropäische Staaten gelangte er schließlich an sein fernöstliches Traumziel, wo er die Sprache studierte und chinesische Texte ins Finnische zu übersetzen versuchte mit dem Ziel, ein großes chinesisch-finnisches Wörterbuch zu verfassen. Das Projekt war längst gestorben, aber Teppo hatte sich inzwischen einen gewissen Status als Dolmetscher bei der Geheimpolizei erarbeitet. Und auch während Lauri Lonkonens und Kalle Homanens Verhör wurde auf seine Fähigkeiten zurückgegriffen.
Von Teppo N’s maoistischer Überzeugung war inzwischen aber vermutlich nicht einmal mehr der Einband des »Kleinen Roten Buches« übrig geblieben. So ändert sich die Welt – und die Weltpolitik.
Für die Verhöre wurden im zentralen Saal des Klosters ein großer Tisch und ein halbes Dutzend Stühle aufgestellt und helle Arbeitslampen installiert. Man holte Lauri und Kalle aus ihren Zellen und befahl ihnen, sich auf die Stühle zu setzen, hinter denen sich zwei bewaffnete Soldaten aufbauten. Fluchtmöglichkeiten gab es nicht.
Die vernehmenden Beamten verhielten sich korrekt, vermieden Gewaltandrohungen. Sie waren jedoch streng und zeigten sich gut informiert über den Aufenthalt der beiden Finnen in China. Sie hatten ebenfalls Kenntnis von ihrem Besuch in der chinesischen Botschaft in Neu Delhi und sogar von ihrem Kontakt zum Dalai Lama. Auch wussten sie Bescheid über Lauris und Kalles Versuche, die Gebetsmühle zu verkaufen. Die Beamten öffneten den Apparat und staunten über sein Inneres, dann hörten sie sich die hinduistische Andacht an und fanden all das absonderlich. Teppo N. konnte sich die persönliche Frage nicht verkneifen, ob in Finnland eine neue hinduistische Sekte gegründet worden sei. Genügte den Finnen Hare Krishna nicht? Na egal, mochten sie Hindugöttern und Yoga huldigen. Aber was um alles in der Welt veranlasste Lonkonen und Homanen, durch Asien zu ziehen und eine fragwürdige Lehre zu propagieren? In China werde sich garantiert kein vernünftiger Mensch um diese Art hinduistisches Gebrabbel scheren. Darauf sagte Lauri, dass er und sein Gefährte keineswegs die Absicht hatten, auch nur einen einzigen Chinesen zum Hinduismus zu bekehren. Es handele sich vielmehr um ein kommerzielles Projekt mit dem Ziel, herauszufinden, ob es in Asien gute Voraussetzungen für die Produktion der Gebetsmühle gebe. Die bisherigen Erfahrungen zeigten jedoch, dass man bestenfalls in Indien eine moderne Fabrik für deren Herstellung errichten könne. Lauri versicherte, dass das Produkt auf keinen Fall heimlich nach China exportiert werden würde. Man wolle die Kultur der Großmacht nicht beleidigen.
Die Beamten wollten vor allem wissen, warum die beiden Finnen ihre Nase in die Beziehungen zwischen zwei souveränen Staaten steckten. Mit welcher Befugnis glaubten die Herren unterwegs zu sein? Sie waren nichts weiter als dahergelaufene Amateure, die sich auf gar keinen Fall in die internationalen diplomatischen Praktiken hätten einmischen dürfen. Das machten die Beamten Lauri und Kalle ein für alle Mal klar, ihre Verteidigungsversuche nahmen sie nicht ernst. Das belastende Material über Lauris und Kalles Aktivitäten stapelte sich auf dem Tisch, Material, das eindeutig auf Spionage hindeutete. Hatten die beiden Finnen einen Auftraggeber, den sie hatten geheim halten können?
Lauri versuchte die Situation dadurch zu retten, dass er vorschlug, man möge ihn und seinen Freund ausweisen, gegebenenfalls für immer, sofern das möglich sei. Freilassen müsse man sie auf alle Fälle. Darauf gingen die Beamten nicht ein, sie sagten lediglich, dass man die Angelegenheit gründlich prüfen werde. Zeit habe man genug. Besser wäre es, die beiden Finnen würden ihr Motiv offenlegen, sodass der Prozess vorbereitet werden könnte.
Nach dem Verhör wurden Lauri und Kalle wieder in ihre Zellen gesperrt. Man brachte ihnen ein wenig Suppe, in der ein paar Fleischstücke schwammen, ob Fisch oder Huhn war nicht zu erkennen.
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