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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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Nachdruck.
    Durand will gerade antworten, als nur wenige Zentimeter von seinem Ohr entfernt die hysterische Stimme des Herzogs erklingt. »Tötet es! Tötet das Ungeheuer!«
    Ich drehe mich um. Tucci liegt reglos in einer großen Blutlache, der leere Blick an die Decke gerichtet. Auf diese Weise wirkt der Mann kleiner als zuvor; er scheint bereits zu schrumpfen. Ich sollte ein Gebet für ihn sprechen, aber dafür ist keine Zeit. Die Wächter richten ihre Flinten auf »Gregor Samsa«, doch sie scheinen nicht besonders schießfreudig zu sein.
    »Töten Sie es!«, fordert der Herzog Durand auf.
    »Warum ich?«
    »Weil das Wesen zu Ihnen gesprochen hat. Ich will sehen, was passiert, wenn Sie schießen.«
    »Was sollte passieren?«
    Ich würde deinen Kopf platzen lassen, flüstert der menschliche Käfer in unseren Schädeln, mit einer Stimme wie das Raunen des Winds.
    Dein Kopf würde explodieren, explodieren, explodieren …
    Er würde wie ein Ballon explodieren.
    Der Herzog winkt, und die beiden Wächter richten ihre Gewehre auf den Hauptmann.
    Durand hebt seine Waffe.
    Tu es nicht …
    Er versucht, mit der Beretta auf den Kopf des Wesens zu zielen.
    Der Herzog beobachtet ihn mit offenem Mund. Speichel tropft ihm von der Unterlippe.
    Falten bilden sich in Durands Stirn. Jede noch so kleine Bewegung scheint ihm plötzlich große Mühe zu bereiten.
    Doch die Pistole kommt weiter nach oben und ist schließlich auf das leere Gesicht der Kreatur gerichtet.
    Die Waffe zittert in der Hand des Hauptmanns, als sich der Zeigefinger um den Hahn krümmt.
    In diesem Augenblick geht ein urzeitlicher Schrei durch den Saal, wie das Brüllen eines Tyrannosaurus.
    Erschrocken sehe ich nach oben.
    Der Mann des Schmerzes …, flüstert das Wesen.
    Die Augen des Herzogs sind voller Freude.
    »Lasst das Ungeheuer. Ich habe etwas Besseres vor. Das Scheusal kommt später an die Reihe.«
    Die beiden Wächter sind für einen Moment abgelenkt.
    Lange genug für Durand.
    Er sinkt auf ein Knie und gibt zwei Schüsse ab.
    Der erste Wächter wird in die Stirn getroffen, der andere in die Brust – ein dritter Schuss gibt ihm den Rest.
    Bitka ist langsamer gewesen, hält inzwischen aber ebenfalls die Pistole in der Hand und richtet sie auf den Herzog.
    »Nein!«, sagt Durand scharf. Mit einigen schnellen Schritten ist er bei dem jungen Herzog, dreht ihm den Arm auf den Rücken und erntet einen Schmerzensschrei.
    Korporal Diop und die beiden Italiener laufen zur Treppe, über die wir den Saal erreicht haben. Jegor Bitka nimmt eines der Gewehre, die die beiden toten Wächter bei sich hatten. Dann verzieht er das Gesicht und legt sie wieder auf den Boden. Vom zweiten Gewehr scheint er ebenso wenig zu halten.
    »Diese Flinten taugen nichts.«
    »Was erwartet ihr?«, quiekt der Herzog empört. »Wir sind keine Soldaten! Die Mauern geben uns Sicherheit, nicht die Waffen.«
    »Sag das deinen Männern.« Bitka deutet auf die drei Toten.
    »Unsere Pistolen müssen genügen«, sagt Durand. »Wie viele Männer müssen wir hier unten erwarten, was meinst du?«
    »Mindestens ein Dutzend.«
    »Denke ich auch.«
    »Wenn ihre Waffen in einem ähnlichen Zustand sind wie diese, bringen sie sich damit vielleicht selbst um.«
    »Darauf würde ich mich nicht verlassen. Nun, wir sind sieben. Jegor und ich übernehmen die Spitze. Die anderen folgen und decken uns, während wir vorrücken. Alles klar?«
    »Ja.«
    »Dann los.«
    Eine Stimme laut wie ein naher Glockenschlag erklingt hinter meiner Stirn.
    Nehmt mich mit.
    Ich drehe mich um.
    Das Wesen ist aufgestanden. Seine Hände – es sind ganz normale Hände, sie haben überhaupt nichts Monströses – sind um zwei Gitterstäbe geschlossen. Sie zerren daran.
    Lasst mich frei.
    Die anderen hören die Stimme ebenfalls. Der Herzog ist die einzige Ausnahme – er beobachtet uns verblüfft, als wir alle zum Käfig sehen.
    Ich kann euch dabei helfen, diesen Ort zu verlassen. Ich kann euch nach draußen bringen.
    »Ach, ja?«, erwidert Bitka. »Und wer sagt uns, dass du uns nicht alle umbringst, wenn wir dich aus dem Käfig lassen?«
    Ich habe Angst. Wie ihr. Ich will weg von hier. Wie ihr.
    »Es scheint tatsächlich gewisse Gemeinsamkeiten zu geben«, sagt Durand. »Aber trotzdem …«
    Ich kann euch nicht nur nach draußen bringen. Ich kann euch auch weit von hier fortbringen.
    Durand reibt sich das stoppelige Kinn und überlegt. Dann geht er in Richtung Ausgang.
    Gregor Samsa – so nenne ich das Wesen inzwischen, nach Kafkas

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