Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
sondern von Patrizio Mori. Wie du siehst, haben wir seine Befehle befolgt. Oder zumindest den größten Teil von ihnen. Es gibt noch viel zu tun. Und ja, wir haben auch die Gebeine des Heiligen geborgen. Sie liegen in der Kiste dort drüben.«
»Du stehst in Moris Diensten, von Anfang an! Was für ein schmutziges doppeltes Spiel treibst du?«
Der Hauptmann zieht in aller Ruhe die Pistole aus dem Halfter und richtet sie auf meinen Kopf. Nur wenige Zentimeter trennen mich vom Lauf der Waffe. Ich stelle fest, dass Durands Hand nicht zittert.
»Ich hätte dich dort draußen erschießen sollen.«
»Du hast es versucht, wie mir scheint. Die Sache mit dem ›Besprühen‹ … Es war nicht einfach nur ein ›Aufnahmeritual‹, oder?«
Durand lächelt.
»Nein. Ich muss gestehen: Zu Anfang dachten wir, dass du uns stören könntest …«
»Und wieso hast du es dir anders überlegt? Hast du mich mitgenommen, um mir ein wenig Bewegung an der frischen Luft zu verschaffen?«
»Spar dir die Ironie. Nein, ich habe dich deswegen mitgenommen.« Durand deutet auf den Schatz. »Zwei zusätzliche Arme fürs Tragen. Wie heißt es bei Lukas? ›Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber ist wenig.‹«
»Zwei zusätzliche Arme fürs Tragen? In meinem Fall dürfte es nur einer sein.«
»Marcel wird dich jetzt behandeln. Die Wunde ist nicht weiter schlimm. Du hättest stehen bleiben sollen, dann wäre dir nichts passiert.«
»Daran werde ich beim nächsten Mal denken. Darf ich mich jetzt setzen? Ich bin müde.«
»Kann ich mir denken. Natürlich darfst du dich setzen. Marcel, bring John was zu essen und zu trinken. Und kümmere dich um die Wunde.«
Ich setze mich auf den Boden und stütze den Rücken an eine Säule.
»Hast du dich zuletzt mal im Spiegel betrachtet?«, fragt Diop, als er mir die Jacke abnimmt, um sich die Wunde anzusehen.
»Ich habe keine Spiegel gefunden. Warum fragst du?«
»Weil du wie ein Zombie aussiehst.«
»Vielleicht bin ich einer. Hast du keine Angst, dass ich dich beißen könnte?«
»Nein. Heutzutage kommen Zombies besser klar als wir Lebenden. Wie lange bist du ohne Atemmaske draußen gewesen?«
»Ich weiß nicht.«
»Du weißt es nicht? Na schön … Jetzt könnte es ein bisschen wehtun.«
Ich beiße die Zähne zusammen, als der Korporal die Wunde desinfiziert. Es fühlt sich an, als ließe er Säure darauf tropfen.
»Du kannst von Glück sagen, dass wir das Penicillin neu entdeckt haben. Und dass Gottschall es nicht gestohlen hat.«
»Neu entdeckt?«
»Doktor Lombard. Ihre Forschungen. Unter den Dingen, die wir von der Stazione Aurelia mitgenommen haben, befand sich auch ein kleiner Vorrat Medizin. Die Frau hatte wirklich was auf dem Kasten. Wenn ich daran denke, was Gottschall mit ihr gemacht hat … Ich würde ihn gern in die Finger kriegen, nur für eine Minute.«
»Hast du auf ihn geschossen? Und auf mich?«
»Ja. Entschuldige.«
»Hättest du auch auf mich geschossen, wenn dir klar gewesen wäre, dass ich es bin?«
»Nein.«
»Dann musst du dich für nichts entschuldigen.«
Der Verband, den Diop anlegt, ist keineswegs steril, aber etwas anderes steht nicht zur Verfügung.
Die Augen des Korporals sind blutunterlaufen.
»Du scheinst ebenfalls einiges hinter dir zu haben«, sage ich.
»Ja, es war nicht leicht. Diese Stadt ist … seltsam.«
»Beunruhigend?«
»Ja.«
Ich bewege die Schultern.
»Du hast etwas Sonderbares gesehen, nicht wahr?«, frage ich.
Der Korporal nickt.
»Was?«
»Nichts weiter.«
Er sieht mich an, und ich erkenne Furcht in seinen Augen.
»Willst du es mir nicht sagen?«
»Ich habe Dinge gesehen, die nicht sein können.«
»In Träumen?«
»Nein, es waren keine Träume. Zum Beispiel … Ich habe aus dem Fenster geschaut, und plötzlich waren die Kanäle voller Wasser. Und überall habe ich Menschen gesehen. Doch als ich das Fenster öffnete … Da waren sie plötzlich nicht mehr da, ebenso wenig das Wasser. Und einmal … Es klingt absurd, aber einmal habe ich … eine Katze gesehen.«
»Eine Katze?«
»Ja.«
»Wie sah sie aus?«
»Sie war schwarz, mit Augen so grün wie dieser Smaragd hier.«
Diop greift in seine Tasche und holt einen Smaragd hervor, groß wie eine Nuss.
Meinen fragenden Blick beantwortet er mit einem Schulterzucken.
»Jeder von uns muss ans Alter denken, und es ist genug für alle da. Da fällt mir ein …«
Er langt in eine andere Tasche, und als seine Hand diesmal wieder zum Vorschein kommt, hält sie einen mehrmals
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