Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
Vom Netzwerk:
gefalteten Umschlag.
    Ich öffne ihn.
    Der Ring des Fischers glitzert, scheint mir zuzublinzeln.
    »Ich habe dir den Ring abgenommen, als der Hauptmann befahl, dich zu fesseln. Tut mir leid.«
    »Ich habe sein Fehlen gar nicht bemerkt. Nicht einmal an ihn gedacht habe ich.«
    »Weil du Priester bist. Aber ich habe drei Kinder in der Calixtus-Katakombe. Ich muss an ihre Zukunft denken. Wenn ich zu einer Mission aufbreche, weiß ich nie, ob ich wieder zurückkehre.«
    »Also gibt es noch eine Zukunft. Jemand glaubt noch daran …«
    »Alle, die Kinder haben, glauben an eine Zukunft«, erwidert Diop mit einem vorwurfsvollen Unterton in der Stimme. Und dann: »So, das wär’s. Der Arm ist fast wie neu.«
    Er steht auf und geht weg.
    Ich betrachte eine Zeit lang den Ring. Seine Umrisse verschwimmen immer wieder.
    Auch dies ist ein Symbol, in einer Zeit, in der es nur noch wenige Symbole gibt.
    Ich wickele den Ring ins Papier und stecke ihn ein.
    Kurz darauf kehrt Diop mit einem Teller und einer Flasche zurück.
    »Unser Wasser ist alle, aber dafür haben wir jede Menge Wein. Dieser hier müsste ziemlich gut sein. Schade, dass Marco und Guido nicht mehr bei uns sind …«
    Die Flasche ist verstaubt und bereits geöffnet.
    Ich werfe einen Blick aufs Etikett.
    Vertigo di Livio Felluga, 2008.
    »Fünfundzwanzig Jahre alt«, sage ich. »Man muss ihn mit gebührendem Respekt trinken.«
    »Auch die Nahrungsmittel sind inzwischen gut gereift. Die Mahlzeit eines Königs, rein theoretisch … Es ist nur noch wenig übrig. Hier haben wir, mal sehen … Gulasch mit Erbsen. Oder mit was Grünem. Du weißt ja, wie das funktioniert, nicht wahr? Man reißt die Schachtel hier auf, und dann wird sie von allein warm.«
    »Raffiniert. Hilfst du mir mit dem Wein?«
    »Zu Diensten.«
    »Vielleicht verbessert sich deine Zielgenauigkeit, wenn du einen Schluck trinkst.«
    Diop sieht mich einige Sekunden lang an und schüttelt den Kopf. Dann lächelt er.
    »Weißt du, Priester … Wenn es keine Häresie wäre, würde ich sagen: Venedig hat dir gutgetan. Wo hast du diesen Sinn für Humor gefunden?«
    »Vielleicht unten in einem Brunnen. Anschließend habe ich ihn fast sofort verloren.«
    »Offenbar nicht ganz. Ah, da wäre noch etwas.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Mit meiner Zielgenauigkeit ist alles in Ordnung. Allerdings habe ich einige sehr schwierige Schüsse versucht. Ich wollte den Mistkerl nicht töten, ihn nur bewegungsunfähig machen. Für das, was der Hauptmann mit ihm vorhat, brauchen wir ihn lebend.«
    Diop wendet sich ab und will gehen.
    »Korporal …«
    »Ja?«
    »Und ich? Braucht ihr mich lebend?«
    Diop presst die Lippen zusammen und senkt den Kopf.
    Dann hebt er ihn wieder und sieht mir in die Augen.
    »Bis wir die Kisten aufgeladen haben.«
    Damit geht er und lässt mich allein, mit dem Essen und einem mehr als zwei Jahrzehnte alten Wein. Beides wird eher enden als ich, was mir allerdings nur ein schwacher Trost ist.
    Solchen Gedanken darf ich mich gerade jetzt nicht hingeben. Wenn ich dem Kummer erliege, riskiere ich zu sterben, ohne meine Mission erfüllen zu können. Und Missionen sind, wie Symbole, rar geworden. So rar wie saubere Luft, nicht kontaminiertes Essen und alles andere, was man zum Überleben braucht.
    Ich habe Durand vertraut. Eigentlich hätte ich schon zu Anfang der Reise Verdacht schöpfen sollen, wegen der beiden Zwischenstopps bei EUR und der Stazione Aurelia, von denen der Kardinal überhaupt nichts erwähnte. Und seine Männer? Wussten sie gleich zu Beginn, dass es bei der Mission gar nicht um einen Auftrag der Kirche ging?
    Ich schlafe ein. Als ich die Flasche zum letzten Mal auf den Boden setze, ist sie noch halb voll.
    Oder halb leer. Es kommt noch immer auf die Sichtweise an. Ich weiß natürlich, dass Alkohol nicht den Durst löscht. Aber der Wein ist gut, und sein Geschmack weckt Erinnerungen an die Vergangenheit.
    Das Essen mag nahrhaft gewesen sein, aber mir ist schlecht davon geworden. Ich habe es hinuntergewürgt, weil ich weiß, dass mein Körper neue Kraft braucht. Es war wie ein Auftanken, mehr nicht.
    Ich frage mich, ob ein heutiger junger Mann noch etwas mit dem Wort »Auftanken« anfangen könnte.
    Manche Ausdrücke sind in Vergessenheit geraten oder werden nur noch von uns »Alten« benutzt.
    Von uns, die wir noch die Welt vor dem Tag des Leids kennen.
    Der Wein hilft mir dabei, in den Schlaf zu sinken, in eine Sphäre, in der alles möglich zu sein scheint. Obwohl … Seit einiger Zeit

Weitere Kostenlose Bücher