Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Platz. Alle Geräusche hallen wie in einer Kathedrale, und die Art der Beleuchtung verstärkt den Eindruck von einem sakralen Ort: Dutzende von Kerzen am Rand des Saals und ein Leuchter in der Mitte, über etwas, das sich unter einer grünen Plastikplane verbirgt. Von den Rändern her neigt sich der Boden sanft nach unten, und in der Saalmitte beträgt der Höhenunterschied etwa drei Meter. Der große Raum hat die Form einer riesigen Schüssel, mit einer weiteren umgedrehten Schüssel darüber.
»Willkommen in Zuflucht 14«, sagt Bune und hilft mir von der Plattform des Aufzugs. »Hier fehlt fast alles, aber als Ausgleich dafür ist das, was wir haben, ekelhaft.«
»Verschwinde, Bune«, knurrt Durand. »Ich habe dich dem zweiten Hummer in der Hoffnung zugeteilt, dich endlich loszuwerden.«
»Tut mir leid, Hauptmann, aber leider ist dein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Der arme Soldat Bune hat sich in dem großen, großen Wagen klein wie eine Maus gemacht und während der Fahrt hierher nicht einen Pieps von sich gegeben.«
»Kann ich mir kaum vorstellen.«
»Aber genauso ist es gewesen, ich schwöre. Wie sonst könnte ich hier sein?«
»Hau ab, wenn du willst, dass sich dir das Leben weiterhin von der guten Seite zeigt. Pater Daniels, Sie folgen mir bitte.«
Ich gehe hinter ihm, bis wir zum Rand des Saals gelangen, wo es einen etwa drei Meter breiten ebenen Bereich gibt. Dort liegen ein Dutzend Matratzen, ein löchriger Plastiksack enthält Decken und Kissen.
»Ein Fünf-Sterne-Hotel ist dies nicht, aber wenigstens sind wir hier sicher. Und bevor Sie fragen: Nein, hier kann man nicht duschen.«
»Ich dachte mir, ein Wasserturm wäre dafür genau der richtige Ort.«
»Unter normalen Umständen. Aber Sie sind zu spät gekommen. Zwanzig Jahre zu spät.«
Vor sechs Jahren haben sie den Turm entdeckt, erklärt er mir. Sie mussten kämpfen, um ihn zu befreien – von wem, sagt er nicht. Vermutlich handelt es sich um etwas, an das der Hauptmann nicht gern zurückdenkt.
»Die anderen hatten den Turm und das Benzin, wir die Wagen mit den leeren Tanks. Und natürlich die Waffen.«
»Verstehe.«
Durand mustert mich einige Sekunden und lächelt. »Nein, ich glaube nicht, dass Sie verstehen. Mit der Zeit vielleicht, aber jetzt noch nicht.«
Und er geht ohne ein weiteres Wort.
Jegor Bitka und Korporal Diop stellen dort, wo wir schlafen wollen, Trennwände auf.
Ich frage nach der Toilette. Der Schwarze sieht mich verwundert an und lacht.
»Oh, ich zeige sie dir. Komm, komm.«
Er marschiert an der gewölbten Wand entlang, durch ein Labyrinth aus Kisten, Kartons und anderen Dingen, bis wir schließlich eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite erreichen. Dort zeigt er auf einen Eimer. Als er sieht, dass ich nicht verstehe, hebt er den Deckel, und plötzlicher Gestank spricht eine deutliche Sprache.
»Der Letzte bringt den vollen Eimer hinunter ins Depot.«
»Ins Depot?«
»Du glaubst doch wohl nicht, dass wir Pisse und Scheiße einfach wegwerfen, oder? Ist eine Menge wert, als Dünger. Ab und zu bringen wir den Kram zur Basis zurück. Für eine Tonne bekommt man zwei Päckchen Zigaretten. Und für zwei Päckchen Zigaretten kann man sich viel kaufen, zum Beispiel …«
»Schon gut, ich habe verstanden.«
Ich werfe einen Blick auf den Eimer. Zum Glück muss er noch nicht nach unten gebracht werden. Obwohl … Fast bedauere ich das ein wenig, denn ich hätte das seltsame Bild des jungen Mannes an der Wand gern noch einmal gesehen.
»Also gute Nacht«, sagt der Korporal. »Ich habe jetzt Wachdienst.«
Er geht und lässt mich mit dem Kübel allein.
Es will nicht viel aus mir raus. Weil ich während der Fahrt im Hummer nur eine gekochte Kartoffel gegessen habe, die mehr nach Schimmel schmeckte als nach Kartoffel. Und weil mir nicht ganz wohl bei dieser Sache ist. Dieser Ort hat etwas Seltsames, Düsteres. Nach der Benutzung der »Toilette« kehre ich nicht an der Wand entlang zu unserem Schlafplatz zurück, sondern gehe in die Mitte des Saals, dorthin, wo sich einst Tausende von Litern Trinkwasser befanden. Jetzt hallen dort die Geräusche wider, die von den schlafenden Männern stammen, oder von jenen, die nicht sofort einschlafen können. Sie alle, die Schlafenden wie die Wachen, haben ihre Albträume.
Aber es gibt noch ein anderes Geräusch, das aus der Mitte des gewaltigen Saals kommt. Zuerst weiß ich es nicht zu deuten, doch als ich näher komme, erkenne ich einen Rhythmus. Es sind menschliche
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