Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Stimmen, und sie singen ein leises, fast hypnotisches Lied.
Ein großes schwarzes Zelt steht dort, dämpft sowohl die Geräusche als auch das Licht. Aber durch einen offenen Spalt kann ich ins Innere sehen.
Erstaunliches bietet sich meinem Blick dar.
Durand und zwei andere Männer stehen bei einer marmornen Statue. Diese zeigt einen Jüngling, der einen Stier tötet. Kleine Lichter umgeben die Statue, die rot ist wie die Gesichter der Männer – wie das Gesicht des Teufels. Doch selbst wenn ich in ihren Mündern gespaltene Schlangenzungen sähe, würde mich das weniger verblüffen als die Worte, die ihnen über die Lippen kommen. Es sind Worte, die ich in uralten Büchern begraben glaubte. In Büchern, die die Kirche vor langer, langer Zeit verboten hat.
Plötzlich glänzt etwas in Durands Hand. Ich rechne mit einem Dolch, aber stattdessen erkenne ich einen Ring. Den goldenen Ring, den ich in der Stazione Aurelia zwischen Bunes Fingern gesehen habe. Das Siegel des Fischers.
Eine Hand legt sich mir auf die Schulter und lässt mich zusammenfahren.
Adèle Lombard hebt den Zeigefinger vor die Lippen und bedeutet mir, still zu sein. Dann gibt sie mir zu verstehen, dass wir weggehen sollten. Ich folge ihr und versuche, die Fragen zurückzuhalten, die ich ihr am liebsten sofort stellen möchte.
Adèle führt mich fort von dem schwarzen Zelt und von unserem Schlafplatz.
An der gewölbten Wand des Saals setzt sie sich auf die Fersen und fordert mich mit einer knappen Geste auf, direkt vor ihr Platz zu nehmen. Als ich sitze, beugt sie sich vor, und ihre Stirn berührt meine. Es ist ein seltsamer Kontakt, fast sinnlich. Ich ziehe den Kopf zurück, wenn auch nicht sofort.
»Urteilen Sie nicht zu streng über uns, Pater Daniels. John …«
»Was geht hier vor?«
»Nichts, worum man sich Sorgen machen müsste.«
»Ich habe gerade ein heidnisches Ritual gesehen. Eine Messe war das bestimmt nicht. Welchen Gott verehrt ihr?«
Adèle verzieht das Gesicht.
»Ich verehre keinen Gott. Erst recht nicht Mithras. Das ist eine Religion für Männer. Für Soldaten. Ich bin weder das eine noch das andere.«
»Ich habe das Bild für einen Scherz gehalten.«
»Und ich habe Sie für intelligent genug gehalten, die Wahrheit zu erkennen. Die Maschinenpistolen … Im Italienischen nennt man sie Mitra , ebenso wie den Gott.«
»Der Mithras-Kult wird seit zweitausend Jahren nicht mehr praktiziert.«
»So sagt man. Aber die drei Männer, die Sie dort gesehen haben, widersprechen dieser Behauptung.«
»Wer hat das Bild des jungen Mannes mit den Maschinenpistolen-Armen gemalt?«
»Was spielt das für eine Rolle? Die Männer, die auch die Statue des Gottes hierher gebracht haben. Es dürfte nicht leicht gewesen sein.«
»War es Durand?«
Die Frau zuckt mit den Schultern. »Vielleicht. Ist das wichtig?«
»Ob es wichtig ist? Glauben Sie, Kardinal Albani freut sich, wenn er erfährt, dass die Schweizergarde dem Befehl eines Heiden untersteht? Eines Mannes, der Menschenfleisch isst?«
»Nicht so laut! Sind Sie übergeschnappt? Wollen Sie, dass man uns hört?«
»Ich habe ihn schon gehört.«
Durands Stimme, trocken und kalt wie die Haut einer Schlange, erklingt nur wenige Zentimeter hinter meinem Nacken.
Der Hauptmann tritt vor und erscheint neben mir. An seinem Gesicht klebt noch Blut, das er sich gerade mit einem zerfransten Handtuch abwischt.
»Es würde Sie überraschen, wie viele Gemeinsamkeiten es zwischen dem Mithras-Kult und dem von Jesus gibt.«
»Mag sein. Aber Sie dienen der katholischen Kirche.«
»Und wir leisten ihr gute Dienste. Die Warägergarde des byzantinischen Kaisers bestand aus skandinavischen Kriegern, die Odin verehrten. Aber sie waren die besten Leibwächter, die der Kaiser je gehabt hat.«
»Ihre Motive sind unklar, und Ihr Verhalten ist verdächtig. Ich habe gesehen, wie Sie gegen sämtliche Prinzipien verstoßen haben, die die Grundlage Ihres Dienstes für die Kirche sein sollten.«
»Ach, hören Sie auf. Welche Prinzipien meinen Sie? Als wir die Calixtus-Katakombe erreichten … Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich das Feuer auf Mori und sein Gesindel eröffnen lassen. Doch die Kirche hat den Alten und seine Bande so aufgenommen, als wären es respektable Leute gewesen. Und erzählen Sie mir jetzt nicht die Geschichte vom Hirten und seinen verirrten Schafen. Mori ist eine Mischung aus Wolf und Mähdrescher.«
Durand schüttelt den Kopf. »Jede Zeit hat ihren Gott. Ein Gott des Friedens und
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