Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
verbranntem Fleisch wahrnehme.
Wir entfernen uns von den Flammen und behalten die Finsternis im Auge, aus der wir uns beobachtet fühlen.
Schließlich winkt der Hauptmann mit der rechten Hand, und wir kehren in unsere Fahrzeuge zurück.
Bei der ersten Lücke in den Leitplanken schaltet Wenzel herunter und steuert den Wagen über die Böschung zwischen Autobahn und Landstraße. Einige Minuten werden wir durchgeschüttelt, und dann erreichen wir den rissigen Asphalt der weiter unten gelegenen Fahrbahn.
»Gute Arbeit, Pauli.«
»Danke, Hauptmann. Wenn ich etwas fragen darf …«
»Nur zu.«
»Wir wollten bei Orte haltmachen, nicht in Torrita, oder?«
»Ja.«
Durand beschränkt sich auf dieses eine Wort.
»Es kostet uns Zeit«, sagt Wenzel.
Durand gibt keine Antwort.
Wenzel schüttelt den Kopf.
»Sie haben dort einen Mörser. Und ein schweres Maschinengewehr.«
»Gut für sie.«
»Wenn wir auf die Autobahn zurückkehren, können wir Orte noch vor Tagesanbruch erreichen.«
Durand lächelt. Es ist kein hübsches Lächeln.
»Aber wir fahren nicht nach Orte, sondern nach Torrita Tiberina.«
16
DER SCHWARZE TURM
Der Ort liegt auf einem kleinen Hügel, in einer Flussschleife des Tiber.
Früher einmal muss es ein malerisches Städtchen gewesen sein. Heute sieht es aus, als hätte jemand Asche und Schnee auf alles gestreut. Im ersten vagen Licht, das den neuen Tag ankündigt, erscheint der Ort zerstört, wie vom feurigen Odem eines Drachen getroffen. Der runde Turm von Torrita hat gebrannt und ist rußgeschwärzt. Den Häusern in der Nähe ist es ähnlich ergangen.
Durand steckt den Feldstecher wieder in seine Schutzhülle und sieht Feldwebel Wenzel an, der im Schnee neben ihm liegt, geschützt von den Resten einer Mauer.
»Scheint alles ruhig zu sein.«
Der Feldwebel lächelt; es ist fast ein Grinsen. »Nicht einmal eine Wache«, sagt er leise und schüttelt den Kopf.
Aber eine dünne Rauchfahne steigt auf, von einem großen, niedrigen Gebäude nicht weit vom alten Ortskern entfernt. Dort gibt es Menschen.
Korporal Rossi schließt mit leisem Keuchen zu uns auf und legt sich ebenfalls in den Schnee.
»Ich habe da unten seltsame Spuren gefunden. Der Schnee ist zertreten, und es gibt auch Blut. Aber seltsam ist, dass alle Spuren von Reifen stammen. Von großen Reifen. So was habe ich noch nie gesehen. Als hätte jemand einen Laster genommen und ihn auf die zehnfache Größe aufgeblasen.«
»Bist du sicher, dass die Spuren von einem Laster stammen?«
»Gesehen hab ich ihn nicht. Aber es ist die einzige Erklärung für die Abdrücke.«
»Bist du sicher? Es ist viel Schnee gefallen.«
»Um die Abdrücke zu bedecken, wäre ein Meter Neuschnee nötig gewesen.«
»Wie alt sind sie?«
»Zwei Tage. Höchstens drei.«
Durand dreht sich auf den Rücken und nimmt die Atemmaske ab.
Wenzel will protestieren, aber der Hauptmann kommt ihm mit einer knappen Geste zuvor.
»Warten wir nicht länger. Wir haben schon genug Zeit verloren.«
Wir nähern uns langsam, im noch immer schwachen Licht der Morgendämmerung. In den beiden Geländewagen sitzen nur die Fahrer Wenzel und Diop. Die anderen gehen hinter ihnen, bleiben in Deckung. Ich kenne so etwas nur aus alten Kriegsfilmen, wo sich Soldaten hinter vorrückenden Panzern ducken. Wir alle halten Waffen in den Händen, obwohl ich nicht recht weiß, was die anderen in dieser Beziehung von mir erwarten. Ich bezweifle, ob ich mit der Maschinenpistole richtig umgehen kann, trotz meiner Erfahrungen beim Kampf gegen die monströsen Wesen.
Die Motoren der beiden Hummer laufen mit geringer Drehzahl, aber für meine Ohren machen sie trotzdem einen Höllenlärm. Unter unseren Stiefeln knirscht der Schnee. Ich weiß nicht, wer neben mir geht – mit den Masken und Schutzjacken sehen wir alle gleich aus. Aber die Gestalt neben mir hält nicht etwa eine Schmeisser bereit, sondern einen Trommelrevolver, woraus ich schließe, dass es sich um Adèle Lombard handelt.
Wir gehen ohne ein Wort. Die dunklen Fenster- und Türöffnungen sind wie die Rachen von Ungetümen, bereit, uns zu verschlingen. Jederzeit könnte dort der Lauf eines Gewehrs erscheinen, vielleicht sogar der des Maschinengewehrs, das Feldwebel Wenzel erwähnt hat.
Aber es passiert nichts. Es gibt keine Spuren im Schnee der Wege am Rand der Ortschaft, und wir gehen weiter auf den Turm zu, der in der Mitte des Ortes aufragt, schwarz wie die Sünde.
Je mehr wir uns den Mauern der ersten Häuser nähern, desto
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