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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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Schlaf.
    Aber wenigstens höre ich nicht mehr die Stimmen der Kinder der Stazione Aurelia.

15
    DIE AUTOSTRADA DEL SOLE
    Ich hätte nie gedacht, so weit zu reisen, und so schnell.
    Ich bin an die Sicherheit der Calixtus-Katakombe gewöhnt, an den Schutz ihrer Wände. Längst habe ich mich mit dem Gedanken angefreundet, den Rest meines Lebens unter der Erde zu verbringen und nie wieder das Licht der Sonne zu sehen.
    Die Fahrt im Hummer gibt mir fast ein Gefühl der Euphorie. Da wir Städte meiden und Landstraßen wählen, brauchen wir kaum Hindernissen auszuweichen. Erdrutsche und Überschwemmungen haben die Straßen streckenweise beschädigt; anderenorts liegt der Schnee so hoch, dass wir kaum mehr wissen, ob wir auf einer Straße oder querfeldein unterwegs sind, wobei es manchmal keinen nennenswerten Unterschied zwischen dem einen und dem anderen gibt. Trotz allem gelingt es uns, im Schnitt zwischen zwanzig und dreißig Meilen pro Stunde zurückzulegen.
    Auf dem Armaturenbrett des Wagens gibt es ein überraschendes Artefakt der Vergangenheit: ein Navigationsgerät. Von Maxim weiß ich, dass einige solche Geräte gefunden und beiseitegelegt worden sind, denn was soll man in der Calixtus-Katakombe fünf Meter unter der Erde mit einem Navi anfangen?
    Aber ich habe nicht damit gerechnet, ein solches Gerät zu sehen. Vor allem eines, das nagelneu zu sein scheint. Die Batterie funktioniert nicht mehr, aber ein Kabel verbindet es mit dem elektrischen Anschluss des Wagens.
    Es ist erstaunlich, die warme, freundliche Frauenstimme zu hören, die uns den Weg durch die Dunkelheit weist. Noch erstaunlicher finde ich, dass es noch Satelliten in der Umlaufbahn gibt und einige von ihnen nach wie vor Daten senden. Als Kind habe ich einmal gelesen, die GPS -Satelliten seien wie auch das Internet eine Weiterentwicklung von militärischer Technik.
    Das Internet ist längst Vergangenheit, aber das GPS -System existiert noch.
    Vielleicht funktioniert es nicht überall, wer weiß? Aber hier schon.
    »Bei der nächsten Kreuzung geradeaus.«
    Vor dem Ende der Welt bin ich einmal in einem Audi des Vatikans unterwegs gewesen. Es war ein Luxuswagen mit Ledersitzen.
    Ich erinnere mich an die Navi-Stimme. Eine unglaublich warme und sinnliche Frauenstimme, die mir für ein Auto der Kirche unangemessen erschien. Als wir uns unserem Ziel näherten, sagte sie nicht schlicht und einfach: »Ziel in hundert Metern.«
    Nein.
    Sie sprach: »In hundert Metern erreichen Sie Ihr Ziel.«
    Dieses Auto verhätschelt einen, dachte ich damals.
    Auch diese Stimme kommt einem Wunder gleich.
    »Bei der nächsten Kreuzung bitte rechts abbiegen.«
    Die von der Stimme erwähnte Kreuzung ist unsichtbar. Im Licht der Scheinwerfer sieht man nur einen kleinen Hügel, von Schnee bedeckt. Aber das GPS -System erkennt die Straße unter dem Schnee und führt uns mit programmierten Hinweisen, von Personen gesprochen, die seit mindestens zwanzig Jahren tot sind.
    Vielleicht geschahen die Wunder nicht damals, sondern heute.
    In gewisser Weise ist auch die Stimme des Navigationssystems die Stimme eines Geistes. Wer weiß, wo und wie die Frau, von der sie stammt, gestorben ist? Oder lebt sie gar noch, irgendwo in den Ruinen der alten Welt?
    Nach sechs Stunden, um drei Uhr morgens, lässt sich Feldwebel Wenzel von Durand am Steuer ablösen. Sie halten dafür nicht an, kletterten stattdessen übereinander hinweg, und ihre Bewegungen wirken dabei so komisch, dass ich ein Lachen nicht zurückhalten kann.
    Der Hauptmann fährt ganz anders als Wenzel. Er ist vorsichtiger, wie jemand, der seinen Wagen gerade neu gekauft hat. Oder der weiß, dass es keine Ersatzteile gibt, es sei denn, man stellt sie selbst her.
    Diese Zeiten verzeihen keine Fehler. Das Leben ist zart und schwach und die Erde ein gewaltiges Schlachtfeld. So lehrt man es uns, und so lernen wir es Tag für Tag, in Schrecken und Blut.
    Und doch …
    In der angenehmen Wärme des Wagens gebe ich mich meiner Fantasie hin und stelle mir vor, wieder ein Junge zu sein und auf dem Rücksitz des Autos meiner Eltern zu sitzen. Vater sitzt am Steuer und summt eine Melodie, die von den Lemonheads stammt, und Mutter hat ihr Handy am Ohr, spricht mit meiner Oma und erzählt ihr von der Reise. Wir fahren nach Sagaponack in Hamptons, um dort den Sommerurlaub zu verbringen. Mich erwarten lange Wochen mit Meer und Sonne, mit Bootsausflügen und Freunden …
    Mit Freunden, die zu Asche geworden sind.
    Wie auch meine Eltern.
    Mein Gott ist

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