Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
sehr teuer gewesen sein. Mit seiner Eleganz passt es gut zu der jungen Frau. Der Tod – offenbar ein schrecklicher Tod, dem erstarrten Gesichtsausdruck nach zu urteilen – hat sie nicht ganz ihrer Schönheit beraubt.
Die Hände sind mit Stacheldraht am Steuer festgebunden.
Sie kann nicht älter als zwanzig gewesen sein. Ihre Augen sind weit aufgerissen und von einem Blau, das mich an Amethyst denken lässt.
Das Kleid ist zu leicht, zu dünn. Der Wagen und die Frau darin scheinen aus einer anderen Dimension hierhergekommen zu sein, durch ein Tor in Raum und Zeit. Der eisige Wind hebt den Stoff des Kleids, und die Beine der Frau kommen zum Vorschein.
Der Schoß ist nackt und weist zahlreiche Schnitte auf. Die Oberschenkel sind blutverschmiert.
Ich wende den Blick ab.
»Hier ist eine, die gegangen ist, als sie kam …«
»Halt die Klappe, Bune. Halt die Klappe, oder es setzt was.«
»Jawohl, Herr Hauptmann. Aber …«
»Klappe!«
Durand ist erschüttert.
»Diese Ungeheuer …«, flüstere ich.
»Hilf mir, sie hochzuheben.«
»Ist sie von jenen Geschöpfen so zugerichtet worden?«
Durand öffnet die Tür des Alfa Romeo. So behutsam wie ein Vater, der seine Tochter zu Bett bringen will, hebt er die Tote an. Ich helfe ihm, obwohl das eigentlich gar nicht nötig ist, und stütze den Rücken der jungen Frau. Sie ist mager und hat einen leichten Knochenbau. Mir fällt auf, dass ihre Fingernägel in einem schlimmen Zustand sind.
»Die Geschöpfe? Nein, sie sind es nicht gewesen«, murmelt Durand und legt die Tote am Straßenrand in den Schnee.
Er zieht den rechten Handschuh aus und streicht der Frau sanft das Haar aus der Stirn.
Jemand hat einen Kreis in die alabasterweiße Haut geschnitten und in den Kreis ein S.
»Bitte sprich ein Gebet für sie«, sagt Durand.
»Natürlich.«
Ich bete und füge den Worten die christlichen Gesten hinzu.
Dann, ohne recht zu wissen warum, spreche ich Worte des neunzigsten Psalms:
»Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder! Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache …«
Durch die Atemmaske klingt meine Stimme noch trauriger als beabsichtigt.
Ich segne den Leichnam.
Keiner der in meiner Nähe stehenden Männer bekreuzigt sich.
Die Erde ist hart gefroren, was bedeutet, dass wir kein Grab ausheben können, aber Durand will die junge Frau nicht einfach so zurücklassen.
»Wenn es nicht jene dunklen Geschöpfe gewesen sind … Wer steckt dann dahinter?«, frage ich.
»Keine Ahnung. Aber eins steht fest: Wer auch immer es gewesen ist, wenn ich ihn in die Finger kriege, wird er es bitter bereuen.«
»Wir müssen weiter, Hauptmann«, sagt Feldwebel Paul Wenzel in einem respektvollen Ton.
Durand nickt.
»Gibt es eine Siedlung in der Nähe?«
»Nur eine, soweit wir wissen. Torrita Tiberina. Achtzehn Seelen bei der letzten Zählung.«
»Gut. Dort machen wir halt. Schaffen wir es?«
»Die Tiberina ist in einem guten Zustand. Wir können in zwei Stunden da sein.«
Durand dreht sich um und starrt in die Dunkelheit.
»Wie viele Tiere waren es?«
»Fünf.«
»Stell fest, wie viel Benzin im Tank des Wagens ist, Pauli.«
Wenzel zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss.
Wenige Sekunden später öffnet er die Tankklappe.
»Genug«, sagt er, als wüsste er bereits, wofür das Benzin reichen muss.
Durand bückt sich, hebt die Tote wieder hoch und legt sie vorsichtig auf den Rücksitz des roten Cabrios. Mit einem Schlauch hat Wenzel drei Liter aus dem Tank gesaugt und in einen Kanister laufen lassen.
Der Hauptmann lässt sich den Kanister reichen, schraubt den Deckel ab und spritzt das Benzin auf die Sitze und den Leichnam. Von einem Laster, der etwas weiter entfernt umgekippt auf der Fahrbahn liegt, holt Wenzel einige Holzkästen, die einmal Orangen enthalten haben. Er zerbricht sie und legt die Holzteile auf den Körper der jungen Frau.
Es riecht stark nach Benzin.
Als die Leiche ganz von Holz bedeckt ist, winkt Durand uns fort von dem Wagen und hält sein Feuerzeug dann an die Ecke des Rücksitzes.
Ein dumpfer Knall, Flammen lodern – ihr flackernder Schein drängt die Dunkelheit zurück. Die Hitze ist schier unerträglich. Ein großes Feuer lodert in der Nacht, und es dauert nicht lange, bis ich den Geruch von
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