Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
tastet.
Wenzel gibt mir einen Stoß in Richtung Gebäudeecke. Eine Straße führt dort nach oben, bedeckt von einem halben Meter Schnee, in dem sich keine Spuren zeigen. Am Ende dieser Straße ragt der schwarze Turm mit seinen leeren Fenstern auf, neben etwas, das wie ein kleines Schloss aussieht.
Korporal Diop macht sich als Erster auf den Weg. Sein Laufschritt erscheint unbeholfen, bringt ihn aber schnell zum schwarzen Loch des Turmtors. Feldwebel Wenzel läuft flink wie ein Reh – ich hätte nicht gedacht, dass jemand mit seiner untersetzten Statur so agil sein kann.
Ich will ebenfalls loslaufen, als mich ein Geräusch erstarren lässt.
Ein Knall, wie von einem Schuss.
Und noch einer. Hinter uns, weiter oben.
Erschrocken drehe ich mich um und halte die Maschinenpistole bereit, mehr oder weniger.
An einem Fenster im zweiten Stock des Hauses auf der rechten Seite winkt Karl Bune und grinst wie ein Idiot. Die Fensterscheibe ist zerbrochen – daher die wie Schüsse klingenden Geräusche.
Zwanzig Meter weiter links zeigt sich ein Mann auf dem Balkon des zweiten von der Schweizergarde gestürmten Hauses. Jegor Bitka verhält sich weitaus professioneller als Bune und zielt mit seiner Schmeisser auf die Fenster des Turms. Mit einer knappen Geste winkt er mich weiter.
Ich folge Wenzel und Diop über die Wendeltreppe des Turms. Manchmal fällt das durch die Fenster kommende Licht auf Teile der Mauern, doch der Rest des Turms bleibt dunkel, als bestünde er aus Finsternis.
Instinktiv halten wir uns vom Licht fern und lassen uns nicht einmal davon streifen. Wir sind Bewohner der Dunkelheit. Die Maschinenpistole in meinen Händen wird zu einem Teil meines Körpers. Ich richte sie auf jede helle Stelle, als sei das Licht ein Feind.
Plötzlich erreiche ich einen Treppenabsatz. Besser gesagt, die Reste davon.
Korporal Diop hält mich am Riemen des Rucksacks fest und bewahrt mich vor dem Sturz in die Tiefe.
Man kann noch die Löcher erkennen, in denen die Balken ruhten, die vor dem Brand den aus Holz bestehenden Boden trugen. Zwei Zentimeter vor meinen Zehenspitzen öffnet sich ein Loch, mindestens zehn Meter tief und so breit wie der Turm. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, und ich murmele ein Gebet. Wenzel hilft mir zur Treppe zurück. Die Gläser der Atemmasken verhindern, dass wir uns direkt in die Augen sehen können; er nickt mir kurz zu, und ich erwidere das Nicken.
Alles in Ordnung.
Anderthalb Meter entfernt führt die Treppe weiter nach oben, aber es ist sinnlos, den Aufstieg fortzusetzen. Da oben gibt es nichts. Der Turm ist eine leere Hülle.
Wir treffen uns auf dem kleinen Platz vor dem Gebäude. Die beiden Häuser, die sich die anderen Männer vorgenommen haben, sind intakt, aber leer.
»Bis vor kurzer Zeit scheinen sie noch bewohnt gewesen zu sein. Ein Teller in der Küche enthielt noch etwas Suppe. Und es fehlt Staub.«
Hauptmann Durand schüttelt den Kopf.
»Es würde mich nicht wundern, wenn auch der Rest des Ortes verlassen wäre.«
»Machen wir trotzdem eine Runde?«, fragt Paul Wenzel.
»Nein. Wir warten zunächst die Dunkelheit ab. Und wir müssen die Wagen in Sicherheit bringen.«
»Bei dem Haus dort drüben habe ich ein Tor gesehen. Es könnte eine Garage sein.«
»Ausgezeichnet, Pauli. Dort stellen wir die Wagen ab. Morgen kümmern wir uns um den Rest.«
»Ich frage mich, was hier geschehen ist. Achtzehn Personen, hast du gesagt?«
»Bei der letzten Zählung.«
»Vielleicht nur siebzehn«, wirft Bune ein. »Wenn das Püppchen in Rot von hier kam …«
Durand dreht sich langsam um und sieht dem einfachen Soldaten in die Augen.
»Schluss damit, Bune. Zur Belohnung darfst du die erste Wache übernehmen. Bei den Wagen in der Garage.«
»Oh, Hauptmann, sei nicht so streng mit dem armen Soldaten Bune. In der Garage ist es bestimmt saukalt. Und die Tür gibt nicht viel her. Woher soll ich wissen, dass mich im Schlaf nicht die Strahlung erwischt?«
»Du wirst überhaupt nicht schlafen, Bune. Du bleibst wach und passt auf die Hummer auf. Ab mit dir.«
»Wo übernachten wir?«, fragt Feldwebel Wenzel.
Durand sieht sich um.
»Die beiden Häuser, die wir uns angesehen haben, lassen sich nicht mehr verwenden. Türen und Fenster sind hin. Versuchen wir es mit dem Gebäude dort neben dem Turm. Welchen Eindruck hast du gewonnen, Pauli? Wann hat der Turm gebrannt?«
Die Frage hätte sogar ich beantworten können.
Selbst durch die Filter der Gasmaske ist der Brandgeruch noch immer recht
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