Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
schneller werden unsere Schritte, bis wir schließlich laufen, vorbei an den beiden SUV s. Diop und Wenzel halten an, springen aus den Wagen und hocken sich hinter die auf dem Dach montierten Maschinengewehre.
Durand läuft ebenfalls und gibt mit kurzen Handzeichen Anweisungen. Seine Männer reagieren sofort darauf und decken sich gegenseitig.
Aber nirgends zeigt sich Gefahr; kein warnender Ruf zerreißt die Stille der Nacht. Der Ort scheint verlassen. Früher einmal wäre er die perfekte Kulisse für einen Vampirfilm gewesen, aber heute sind wir die Vampire. Wir sind es, die vor dem Licht des Tages flüchten und uns in unterirdischen Verstecken verkriechen. Der Tag gehört anderen Geschöpfen, die keine Menschen mehr sind. Und die es vielleicht nie waren.
Ich habe Schmerzen in der Brust und schnappe nach Luft.
Schon kleine körperliche Anstrengungen wie dieser kurze Lauf bringen mich außer Atem. Der Schnee knarrt und quietscht unter meinen Stiefeln, ein Geräusch, das mir viel zu laut erscheint. In bin ins Schwitzen geraten, und die Gläser der Gasmaske beschlagen von innen – ich kann sie nicht abwischen. Ich sehe alles wie durch einen Schleier. Die anderen Männer sind wie Geister, und das Licht …
Das Licht ist schon zu stark geworden, trotz der Wolken. Es dauert nicht mehr lange, bis Sonnenstrahlen über die Dächer der Häuser hinwegtasten und die Wipfel der Bäume dort drüben erreichen, um jedes Detail von ihnen deutlich hervorzuheben, wie bei einer Zeichnung. Ich denke daran, die Riemen zu lockern und die Maske kurz abzunehmen.
Seit zwanzig Jahren sehe ich keinen Sonnenaufgang …
Jemand schüttelt mich und gibt mir von hinten einen Stoß.
Durands Stimme ertönt dicht an meinem Ohr. »Was ist los, zum Teufel?«
Ich reiße die Augen auf. Die Maske des Hauptmanns scheint Teil seines Gesichts zu sein. Er ist ein graugrüner Elefant geworden, mit einem Rüssel aus Metall …
Sein Mund voller Zähne öffnet sich …
Ich hebe die Maschinenpistole …
Ein Schlag trifft mich an der Wange und schickt mir einen weißen Blitz in die Augen. Reflexartig schließe ich sie, und als ich sie wieder öffne, sieht Durand normal aus.
»Wach auf, John!«
Ich stoße etwas hervor, das ich selbst nicht verstehe.
»Was ist mit dir passiert? Bist du verrückt geworden?«
Ich schüttele den Kopf.
»Richte nie wieder eine Waffe auf mich, du Idiot! Deine Spritze ist nicht mal gesichert!«
»Ich verstehe nicht …«
Es ist, als hätte ich eine Vision gehabt, möchte ich sagen. Einen Traum mit offenen Augen …
Nein, keinen Traum. Einen Albtraum.
»Geht es dir jetzt besser?«
»Ja.«
»Versuch bitte, keinen Mist zu bauen. Bleib hier und halte uns den Rücken frei.«
Durand dreht sich um und winkt seine Männer nach rechts und links, zu den beiden geschlossenen Türen. Es sind Türen aus altem Holz; grüne Farbe blättert von ihnen ab.
Wie seltsame Kröten aussehende Männer laufen zu den Türen und versuchen, sie zu öffnen. Als das nicht klappt, treten sie dagegen, und unter den wuchtigen Tritten geben die Schlösser schnell nach. Sofort stürmen die Soldaten ins Innere der Gebäude. Hinter mir heulen die Motoren der beiden Hummer auf. Wenzel und Diop sitzen wieder am Steuer, bringen die Wagen heran und springen mit schussbereiten Waffen heraus.
»Was machen Sie hier?«, ruft mir Diop zu.
»Hauptmann Durand hat gesagt, ich soll hierbleiben und euch den Rücken freihalten.«
»Sollen Sie uns den Rücken freihalten oder in den Rücken schießen?«, fragt der Schwarze ironisch. »Ich habe gesehen, was passiert ist. An Durands Stelle hätte ich Sie erledigt. Was ist nur in Sie gefahren?«
»Ich … hatte einen Albtraum. Mit offenen Augen.«
Diop und Wenzel wechseln einen Blick. Dann packt mich der Feldwebel an den Schultern.
»Wenn das noch einmal passiert, wenn Sie erneut einen Albtraum bekommen … Dann sichern Sie Ihre Waffe. Besser noch: Werfen Sie sie weg.«
»Was ist mit mir geschehen? Was wissen Sie darüber?«
Wenzel zuckt mit den Schultern. »Dies ist kein geeigneter Zeitpunkt für eine Plauderei. Wir drei nehmen uns jetzt den Turm vor.«
»Der Hauptmann …«
»Er ist nicht hier. Gehorchen Sie mir! Schnell!«
Er wartet meine Reaktion nicht ab und läuft nach rechts, gefolgt von Diop.
Ich setze mich ebenfalls in Bewegung – mir bleibt gar nichts anderes übrig.
Wir passieren die aufgebrochene Tür, und dahinter erwartet uns eine Dunkelheit, in der das Licht von Taschenlampen hin und her
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